Weil in seiner Wohnung Gas austreten war, geriet der Kläger unter massiven Stress. Ein „blutiger Schlaganfall“ und 100% Invalidität waren die Folge. Ob der Unfallversicherer in diesem Fall zahlen muss, hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu entscheiden.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 1/24/2019
Im Jänner 2013 bohrte der damals 59-Jährige bei Renovierungsarbeiten in seiner Wohnung versehentlich eine Gasleitung an, wodurch plötzlich Erdgas ausströmte. Er konnte noch einen Notruf tätigen, bevor er bewusstlos wurde. Eine organische Schädigung war bei dem Mann nicht feststellbar. Allerdings versetzte ihn der Gasgeruch wegen der Explosionsgefahr und der Notwendigkeit, rasch Hilfe zu holen, in eine derartige Stressreaktion, dass er einen „blutigen Schlaganfall“ erlitt. Die Folge davon war eine dauerhafte Schädigung mit einem Invaliditätsgrad von 100%.
Der Mann ersuchte nun um Leistung aus seiner privaten Unfallversicherung, die er im Dezember 2012 abgeschlossen hatte. Der Versicherer lehnte die Deckung jedoch ab, da kein Unfall vorliege. Es bestehe kein adäquater kausaler Zusammenhang zwischen den neurologischen Folgen und dem Anbohren der Gasleitung. Das entwichene Gas sei nicht toxisch und habe keine direkte biologische Giftwirkung. Daraufhin klagte der Mann den Versicherer auf 601.000 Euro Schadenersatz.
Gasaustritt ohne unmittelbare körperliche Folgen
Die Klage war in erster und zweiter Instanz erfolgreich, scheiterte aber vor dem OGH (7 Ob 200/18i). Ein Unfall sei bedingungsgemäß ein plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person einwirkendes Ereignis, wodurch diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Der Unfallbegriff setze damit eine zumindest geringfügige Verletzung bzw. Beeinträchtigung der körperlichen Integrität voraus.
Im konkreten Fall hatte der Gasaustritt selbst keine körperlichen Auswirkungen auf den Kläger. Vielmehr wurden die organischen Schäden allein durch psychische, rein innerkörperliche Reaktionen auf ein sinnlich wahrgenommenes Geschehen ausgelöst. Daher liege kein Unfall vor – auch wenn das äußerliche Geschehen bei der Person psychische Reaktionen auslöst, welche dann zu körperlichen organischen Schädigungen führen. Die Gefahren einer Stress- und Angstreaktion auf eine äußerlich bleibende – und sich nicht verwirklichende – Bedrohung der körperlichen Integrität seien in der Unfallversicherung nicht gedeckt.
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