Das Fahrzeug wird vom VN und seiner Frau benützt, wobei vorwiegend die Frau das Fahrzeug in Verwendung hat. Am 4.4.2021 fielen dem VN und seiner Frau Lackkratzer auf, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch die unsachgemäße Verwendung einer Eisenschaufel bei der Schneeräumung herbeigeführt wurden. Die KFZ-Kaskoversicherung lehnte die Deckung ab, weil kein Unfall im Sinne der AVB vorliegt. Die klagsabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts wurde vom OGH aufgehoben. OGH 7 Ob 170/23k vom 22.11.2023
Artikel von:
Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Dass die Lackkratzer durch ein unmittelbar von außen mit mechanischer Gewalt wirkendes Ereignis herbeigeführt wurden, wird von den Streitteilen zu Recht nicht mehr bestritten. Zu klären ist die Frage, ob die Einwirkung plötzlich erfolgte. Das Schadenereignis wirkt plötzlich auf ein Fahrzeug ein, wenn es sich in einem relativ kurzen Zeitraum abspielt. Der Begriff schließt auch ein subjektives Element des Unerwarteten, nicht Vorausgesehenen, Unentrinnbaren ein. „Plötzlich“ ist damit auch ein allmähliches Geschehen, sofern die Folgen für den VN unerwartet waren. Hat ein VN zwar selbst nicht damit gerechnet, den konkreten widrigen Umständen in dieser Form zu begegnen, hätte er dies aber objektiv betrachtet in der konkreten Situation tun müssen, mangelt es an der beachtlichen subjektiven Komponente, sodass nicht von „Plötzlichkeit“ und einem Unfallgeschehen gesprochen werden kann. Daraus folgt, dass die Beschädigung eines Fahrzeuges durch einen Dritten für den VN unerwartet, unerkennbar und nicht vorhergesehen, sohin plötzlich eintritt. An einer plötzlichen Einwirkung fehlt es jedoch, wenn der VN selbst sein Fahrzeug mit einem sandbeschmutzten Schwamm wäscht oder mit einer Eisenschaufel den Schnee vom Fahrzeug entfernt und den Lack beschädigt.
Kommentar
Diese Entscheidung lässt den durchschnittlichen VN ratlos zurück. In der Sachversicherung gibt es keine subjektive oder objektive Komponente (von der Frage der groben Fahrlässigkeit abgesehen). Entweder liegt ein Versicherungsfall vor oder es liegt kein Versicherungsfall vor, unabhängig davon, ob das schädigende Ereignis durch einen Dritten oder durch den VN selbst erfolgt ist. Der OGH zieht zur Untermauerung seines Begriffes der Plötzlichkeit Begriffe aus der Unfallversicherung heran und zitiert auch die eine Unfallversicherung betreffende Entscheidung OGH 7 Ob 178/21h. Der Vergleich ist verfehlt, weil die Unfallversicherung als Summenversicherung gänzlich anders gelagert ist und einem anderen Regime unterliegt. Interessant ist, dass offenbar auch die Versicherung nicht auf die Idee gekommen ist, das Vorliegen eines nicht gedeckten Betriebsschadens zu behaupten. Die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle der Wirtschaftskammer hat in der Entscheidung E 33/18 festgestellt, dass es sich bei der Beschädigung des Lackes im Zuge einer Schneeräumung mit einer Schaufel, einem Besen oder dergleichen um einen nicht gedeckten Betriebsschaden handelt. Diesen Einwand kann der Versicherer im zweiten Rechtsgang aber nachholen. Zudem muss geklärt werden, wer das Kfz unsachgemäß geputzt hat. Ist das jemand anderer als der VN, besteht zwar Deckung, dieser andere wird aber dem Regress des Versicherers gemäß § 67 VersVG ausgesetzt sein.
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