Beim Abschluss einer Lebensversicherung hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einer oder mehreren bestimmten Person(en) ein Bezugsrecht aus dem Versicherungsvertrag einzuräumen. Dieses Recht kann widerruflich oder unwiderruflich, namentlich oder nicht-namentlich ausgestaltet sein. Wurde eine derartige Verfügung nicht getroffen, kommt das fällig gewordene Kapital in die Erbmasse.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 14.09.2020
Von Mag. Alexander Meixner (Foto), ÖVM Vizepräsident
Bezugsberechtigte frei wählbar
Im Sinne des Gesetzes ist der Versicherungsnehmer in seiner Entscheidung völlig frei, an wen die Versicherungssumme nach seinem Tod ausbezahlt werden soll. Der einschlägige § 166 VersVG räumt einerseits dem Versicherungsnehmer die freie Verfügbarkeit hinsichtlich der Begünstigung ein und schützt andererseits den Versicherer davor, dass er, obwohl er bei der Auszahlung der ihm bekanntgegebenen Begünstigung entsprochen hat, von dem ohne seine Kenntnis an die Stelle des bisher Begünstigten gesetzten neuerlich in Anspruch genommen wird.
Testament versus Bezugsrecht
Die Bezugsberechtigung in einer Lebensversicherung kann durch das Testament des Versicherungsnehmers widerrufen oder abgeändert werden. Der OGH betont stets in seinen Entscheidungen, dass die gesetzlich vorgesehene Bezeichnung eines Dritten als Bezugsberechtigten nur das Verhältnis zum Versicherer betrifft. Für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Begünstigten kommt es dagegen stets auf die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung bzw. bestehende Rechtslage an.
Erbschlupfloch geschlossen
Ist der Versicherungsvertrag zugunsten einer oder mehrerer im Vertrag genannten Person(en) abgeschlossen worden, so steht die Versicherungssumme dem/den Begünstigten zu. Er/Sie hat/haben somit einen Anspruch auf Auszahlung des Geldes. Die Versicherung fällt in diesem Fall nicht in die Verlassenschaft. Allerdings gibt es seit dem Erbrechtsänderungsgesetz, das mit Jahresbeginn 2017 in Kraft trat, hier eine Ausnahme: Nämlich dann, wenn Pflichtteilsansprüche bestehen!
Auswirkungen des Bezugsrechtes auf Pflichtteilsanspruch
Pflichtteil bedeutet, dass ein bestimmter Personenkreis einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses hat, wenn ein Erblasser verstirbt. Diesem Personenkreis steht trotz Testament oder Erbvertrag – sofern keine Enterbung vorliegt – zumindest der gesetzliche Pflichtteil zu. Liegt keine letztwillige Verfügung vor, greift die gesetzliche Erbfolge.
Jeder Erblasser hat grundsätzlich das Recht, zu Lebzeiten Schenkungen aus dem eigenen Vermögen vorzunehmen. Weil diese Schenkungen aber das Vermögen und dementsprechend auch die Pflichtteile pflichtteilsgeschützter Erben erheblich schmälern können, besteht für diese im Erbfall ein Ausgleichsanspruch.
Bestehen Pflichtteilsansprüche, werden die Versicherungsleistungen, die an den/die Bezugsberechtigten ausbezahlt wurden, wie Schenkungen behandelt und dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Diese erhöhte Berechnungsbasis wird dann zur Ermittlung der tatsächlich zustehenden Pflichtteile herangezogen.
Lebensversicherung als Sicherstellung
Sehr oft kommt es vor, dass eine Lebensversicherung als Sicherstellungen zugunsten von Verbindlichkeiten dient. Die Versicherungssumme wird dann in erster Linie zur Abdeckung der Schulden verwendet. Ist die Summe höher als die Schulden, fließt das Geld entweder in den Nachlass oder kommt einem im Vertrag eingesetzten Begünstigten zu. Für die Berechnung des korrekten Pflichtteils ist dann natürlich nur diese Differenz heranzuziehen und nicht die gesamte Versicherungssumme zu berücksichtigen.
Zusammenfassung
Gibt es keinen Begünstigten, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass, ansonsten kommt sie direkt dem/den Begünstigten zu. Die Versicherungssumme wird jedoch als Schenkung für die Pflichtteilsberechnung angerechnet. Liegt eine Pflichtteilsverletzung vor, muss der Begünstigte ausgleichen. Bei „Vinkulierung“ für offene Schulden gilt dies nur für den Überhang.
Quellen: www.erbrechtsinfo.at / www.ris.bka.gv.at / www.wko.at
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