Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat die Klausel zum Ausschluss Willenserklärungen und Rechtshandlungen vor Vertragsabschluss gekippt. Welche Folge das für Versicherer und Kunden hat, erklärt Ewald Maitz, MLS in einem Kommentar.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 12.09.2018
Von Ewald Maitz
Die Allgemeinen Rechtsschutz-Bedingungen (ARB) enthalten folgenden Risikoausschluss:
„Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall aus, besteht kein Versicherungsschutz.“
Dieser Ausschluss führt immer wieder zu Diskussionen, weil es äußerst schwierig ist, zu beurteilen, was eine Rechtshandlung oder Willenserklärung, die einen Rechtsschutzfall auslöst, ist. Strittig ist beispielsweise, ob eine Schadensmeldung bei einem Versicherungsvertrag bereits eine solche Willenserklärung oder Rechtshandlung ist. Der BGH hat nun mit diesem Ausschluss „kurzen Prozess“ gemacht und die Klausel schlicht für intransparent erklärt. Folgt der Oberste Gerichtshof (OGH) hier dem BGH, würde die Klausel in den österreichischen ARB für Konsumentenverträge gem § 6 Abs 3 KSchG entfallen.
Formulierung überfordert Kunden
Der Rechtsprechung ist es nämlich laut BGH bisher nicht gelungen, abstrakt-generelle Kriterien für die Auslegung von Willenserklärungen und Rechtshandlungen, die den späteren Verstoß „auslösen“ zu erarbeiten. Umso mehr überfordert diese Formulierung den durchschnittlichen Versicherungsnehmer. Dieser Risikoausschluss ist aus diesem Grund intransparent.
Zweckabschluss vermeiden
Der BGH spricht bei diesem Urteil unter anderem auch aus, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer aus diesem Risikoausschluss allenfalls folgern könnte, dass solche Versicherungsfälle vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, deren Anbahnung ihm schon bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung bekannt ist, weil sich nur insoweit von einem Zweckabschluss der Rechtsschutzversicherung sprechen lässt, der gezielt darauf gerichtet ist, Versicherungsschutz für ein Risiko zu erlangen, dessen Eintritt sich für den Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits abzeichnet.
Auf ein solches Wissen stellt diese Risikoausschlussklausel aber nicht ab, sondern schließt den Versicherungsschutz auch in Fällen aus, in denen sich erst nach Abschluss der Rechtsschutzversicherung im Nachhinein bei objektiver Betrachtung herausstellt, dass eine vor Vertragsabschluss bewirkte Willenserklärung oder Rechtshandlung geeignet war, den späteren Rechtsschutzfall auszulösen.
Gröblich benachteiligend
Da in jüngeren ARB auch Willenserklärungen und Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn erfolgen, in den Ausschluss einbezogen werden, droht diese Ausschlussklausel zudem auch gröblich benachteiligend für den Versicherungsnehmer zu sein. Das bedeutet, dass die Klausel auch für Unternehmerverträge gekippt werden könnte.
Anzeigepflicht für drohende Versicherungsfälle
Auf den ersten Blick klingt dieses Urteil für die Rechtsschutzversicherer dramatisch. Auf den zweiten Blick muss man aber sehen, dass der Versicherungsnehmer, der bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung weiß, dass ein Versicherungsfall droht, diesen Umstand im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht anzeigen muss, weil dieser Umstand natürlich Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers hat, den Antrag anzunehmen. Der Versicherungsnehmer hätte aber jedenfalls bei Entfall dieses Risikoausschlusses den Vorteil, dass Versicherungsfälle nicht plötzlich nicht gedeckt sind, wenn er bei Abschluss der Rechtsschutzversicherung nicht die leiseste Ahnung davon hatte, dass ein Rechtsschutzfall droht.
Ein gänzlicher Entfall dieses Risikoausschlusses wäre daher zu begrüßen. Gleichzeitig muss aber auf die vorvertragliche Anzeigepflicht verstärkt geachtet werden.
BGH IV ZR 200/16, r+s 2018, 425; www.knowhow-versicherung.at
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