Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste in seiner Entscheidung vom 24.03.2021 (7 Ob 3/21y) überprüfen, ob die Deckungsablehnung der Behandlungskosten für ein künstliches Kniegelenk aufgrund einer bestehende Vorerkrankung berechtigt ist.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 26.05.2021
Was ist passiert?
Der Kläger litt schon länger an einer beschwerdefreien Gonarthrose im linken Knie. Am 21.04.2018 stürzte er über eine Treppe, verletzte sich an diesem Knie und erlitt (lediglich) einen Gelenkserguss. Diese Verletzung aktivierte jedoch die Gonarthrose und führte zu starken Schmerzzuständen. Der Kläger begab sich in stationäre Behandlung einer Privatklinik und erhielt wenige Tage nach dem Sturz ein künstliches Kniegelenk. Dies wurde aufgrund der ausgeprägten Schmerzen und der bereits vorher bestandenen Gonarthrose notwendig. Ohne diesen Sturz wäre eine Knieprothese beim bis dahin beschwerdefreien Kläger erst mittel- bis langfristig erforderlich geworden.
In weiterer Folge begehrte der Kläger von der beklagten Versicherung den Ersatz der Behandlungs- und Operationskosten. Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass die Prothese auch ohne den Sturz erforderlich geworden wäre. Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste in seiner Entscheidung vom 24.03.2021 (7 Ob 3/21y) schließlich überprüfen, ob die bestehende Vorerkrankung zur Deckungsablehnung berechtigt.
Wie ist die Rechtslage?
Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen wurde als Versicherungsfall die „medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ definiert. Auf allfällige Vorschäden wird in diesen Bedingungen hingegen in keinster Weise Bezug genommen.
Nach Ansicht des OGH sehen daher die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen auch keine sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes in Bezug auf Vorschäden vor. Eine solche Begrenzung sei für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang klar erkennbar. Vor diesem Hintergrund sei von einer uneingeschränkten Deckungszusage für Heilbehandlungen auszugehen, sofern solche Heilbehandlungen als Folge eines Unfalls notwendig werden, also ein Unfall auch – unter Umständen neben einer Vorerkrankung – kausal dafür ist. Da die Schmerzen im Knie des Klägers erst durch den Sturz aktiviert wurden und nur dadurch die Knieoperation zu diesem (früheren) Zeitpunkt notwendig wurde, ist die Versicherung zur Deckung verpflichtet.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Werden in Versicherungsbedingungen daher Vorschäden nicht ausdrücklich vom versicherten Risiko ausgeschlossen, genügt es für eine Deckung bereits, dass Heilbehandlungen durch einen Unfall zumindest mitverursacht worden sind.“
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©jirsak – stock.adobe.com
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