Beim Bearbeiten von Haftpflichtschadenfällen spielt die zivilrechtliche Verjährung eine entscheidende Rolle. Auch der OGH beschäftigte sich kürzlich mit der Frage, inwieweit ein Geschädigter aktiv werden muss, um die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen in Erfahrung zu bringen.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 18.10.2021
Von Gerald Katzensteiner, Abteilungsleitung Allgemeine Haftpflicht/Bauwesen Firmengeschäft der VAV Versicherungs-AG (Foto)
Sachverhalt
Der Entscheidung 3 Ob 195/20b lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Partei führte 2012 Arbeiten für eine Begrünung auf Dachterrassen von Wohnungen durch. Die Flachdachabdichtung vorweg erfolgte durch eine andere GmbH. Im Spätherbst 2015 kam hervor, dass die Flachdächer unterhalb dieser Terrassen undicht waren. Der von der Klägerin beauftragte Privatgutachter hielt in einem Befund im Dezember 2015 unter anderem fest, dass die Flachdachabdichtung zum Teil unsachgemäß durchgeführt worden sei. Er wies weiters darauf hin, dass es nicht eindeutig möglich sei, den Verursacher der Leckstellen festzustellen. Er empfahl daher, den Wassereintritt bis März 2016 zu beobachten.
Gesonderte Klage gegen Abdichtungsfirma
Mit einer gesonderten Klage nahm die Klägerin im September 2016 die Abdichtungsfirma in Anspruch. Gegenstand war unter anderem die Klärung der Ursache des Schadens. In diesem Vorprozess kamen die Parteien im Dezember 2016 überein, außergerichtlich die Schadenursache durch einen Privatgutachter zu suchen. Dem Gericht wurde im April 2017 mitgeteilt, dass eine Beschädigung der Dachhaut durch mehrere Längsschnitte festgestellt wurde – diese Schnitte jedoch nicht von der Abdichtungsfirma stammen. Die Klägerin brachte daher im Oktober 2019 die Klage gegen die Begrünungsfirma mit der Begründung ein, dass deren Erfüllungsgehilfin die Dachfolie durch Schneidewerkzeug beschädigt hätte. Sowohl die Beklagte als auch die Nebeninterventin wandten unter anderem Verjährung ein. Aufgrund des von ihr eingeholten Privatgutachtens hätte die Klägerin spätestens im August 2016 vom Schadenentschädiger Kenntnis erlangt, sodass bereits zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist begonnen habe. Der OGH führte in seiner Entscheidung die zu §1489 ABGB entwickelten Grundsätze wie folgt aus: Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Die Kenntnis muss dabei den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem bestimmten dem Schädiger anzulastenden Verhalten. Der Geschädigte darf sich nicht bloß passiv verhalten, wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühen in Erfahrung bringen kann. Die Erkundungsobliegenheit darf jedoch nicht überspannt werden. Sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadeneintritt im Sinne konkreter Verdachtsmomente voraus, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden. Im Regelfall ist der Geschädigte nicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen. Ausnahmsweise kann aber, sofern eine Verbesserung des Wissensstandes nur so möglich ist und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Obliegenheit des Geschädigten angesehen werden. Der konkrete Anlassfall ist davon geprägt, dass die Klägerin aufgrund der gutachterlichen Äußerung des Privatgutachters zunächst das für die Abdichtung des Flachdachs verantwortliche Unternehmen klagsweise in Anspruch genommen hat. Für eine nachträgliche Beschädigung zum damaligen Zeitpunkt gab es keine Anhaltspunkte. Der OGH sieht eine Überspannung der Erkundungsobliegenheit, wenn man von einer Klägerin erwarten würde, während eines Prozesses, in dem die Schadenursache geklärt wird, darüber hinaus auch noch Beweise gegen mögliche andere Verursacher zu erheben. Daher war im konkreten Fall eine Verjährung der Ansprüche nicht gegeben.
Anmerkung
Das beschriebene OGH-Urteil macht deutlich, dass die Verjährung der Ansprüche von geschädigten Dritten jeweils im Einzelfall zu prüfen ist. Dies bedeutet eine komplexe Aufgabe für Schadenreferenten, kann jedoch Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen gleichermaßen zugutekommen.
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