Ein Unternehmensberater wird kurz nach der Gründung seiner Firma arbeitsunfähig. Der Versicherer lehnt die Leistung ab, da für psychische Erkrankungen keine Deckung bestehe. Ob dieser Ausschluss gerechtfertigt ist, konnte der Oberste Gerichtshof (OGH) noch nicht endgültig klären.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 10.08.2018
Der 55-jährige Kläger gründete im April 2015 eine Unternehmensberatung und schloss eine Betriebsunterbrechungs-Versicherung ab. Laut Bedingungen (ABFT 2013) besteht kein Versicherungsschutz für Unterbrechungsschäden aufgrund von Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers infolge psychischer Erkrankungen (Neurosen, Psychosen, Depressionen, Burnout Syndrom etc.). Außerdem ausgeschlossen sind Krankheiten, die vor Versicherungsbeginn entstanden sind und von der der Versicherte Kenntnis hatte oder haben musste.
Bis Anfang Mai 2015 habe sich der Kläger voll fit und leistungsfähig gefühlt. Dann begannen „plötzlich“ über einen Zeitraum von fünf Tagen „in ansteigender Art“ extreme Schlafstörungen, verbunden mit Tagesmüdigkeit und Schwindelgefühl sowie Schweißausbrüchen. Am 13. Mai suchte der Mann einen Neurologen auf. Als ein wenig später aufgrund von Sekundenschlaf einen Autounfall verursachte, zog er sich komplett von seiner Tätigkeit zurück und wurde bis „voraussichtlich August 2015“ krankgeschrieben. Anfang Juni konsultierte er einen anderen Arzt, der ihm eine „idiopathische Hypersomnie“ – ein krankhaftes Schlafbedürfnis – diagnostizierte und verschiedene Medikamente verschrieb. In der Medizin wird diese sowohl als neurologische als auch als psychiatrische Erkrankung bezeichnet.
Klage auf 108.000 Euro
Der Kläger forderte nun vom Versicherer die Auszahlung der gesamten Versicherungssumme von 108.000 Euro. Der Versicherte sei seit 21. Mai 2015 aufgrund einer neurologischen Erkrankung durchgehend zu 100% arbeitsunfähig, der Verdienstentgang betrage 15.000 Euro pro Monat.
Der Versicherer bestritt das Vorliegen einer Erkrankung, hilfsweise einer körperlichen Erkrankung, die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten und den Eintritt eines Schadens. Eine allfällige psychische Erkrankung wäre vor Ablauf der Wartefrist aufgetreten. Körperlich anormale Zustände seien vor Versicherungsbeginn entstanden. Der Versicherte sei zumindest in der Lage, aufsichtsführend und anleitend tätig zu sein, er übe auch tatsächlich Tätigkeiten aus. Die Gesundheitsfragen seien unrichtig beantwortet worden, es liege eine Obliegenheitsverletzung vor.
Psychische und neurologische Ursachen
Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 105.300 Euro statt und wies 2.700 Euro ab. Weil der Versicherte nicht nur aufgrund einer psychischen, sondern einer psychischen und neurologischen Erkrankung zu 100% arbeitsunfähig war, käme der Risikoausschluss nicht zur Anwendung. Der körperlich anormale Zustand sei nicht vor Versicherungsbeginn entstanden, weshalb auch diesbezüglich keine Kenntnis vorgelegen sein könne.
Das Berufungsgericht wies das verbliebene Klagebegehren zur Gänze ab. Der Versicherte habe keine Kenntnis einer Erkrankung gehabt oder haben müssen. Das Berufsbild eines Unternehmensberaters habe er nicht mehr ausüben können. Allerdings sei die Betriebsunterbrechung durch eine psychische Erkrankung zumindest auch mitverursacht worden, sodass die Ausschlussbestimmungen zum Tragen kämen. Die Erkrankung sei innerhalb der Wartefrist aufgetreten.
Worauf ist Erkrankung zurückzuführen?
Für den OGH (7Ob61/18y) kann noch nicht beurteilt werden, ob der Risikoausschluss verwirklicht ist. Es komme nämlich im vorliegenden Fall nicht darauf an, welchen medizinischen – neurologischen und/oder psychiatrischen – Fachgebieten oder wissenschaftlichen Klassifikationen ein Krankheitsbild allgemein unterstellt oder wie es bezeichnet wird. Maßgeblich sei vielmehr, worauf die – innerhalb der Wartezeit aufgetretene – konkrete Erkrankung des Versicherten zurückzuführen ist und ob sie dem Begriff der „psychischen Erkrankungen“, spezifiziert durch die beispielhafte Nennung von „Neurosen, Psychosen, Depressionen“, entspricht oder nicht.
Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren durch Ergänzung seiner Feststellungen zu klären haben, ob der Rückgang oder Verlust der beruflichen Leistungsfähigkeit des Versicherten durch eine vom Risikoausschluss im Sinne der BB Plus umfasste, innerhalb der Wartezeit aufgetretene „psychische Erkrankung“ (mit-)verursacht wurde.
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