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Brandschaden: Kein Anspruch auf Neuwertdifferenz

Brandschaden: Kein Anspruch auf Neuwertdifferenz

16. Dezember 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Nach der Wiederherstellungsklausel besteht bei Sicherstellung der Wiederherstellung des Gebäudes innerhalb einer bestimmten Frist ein Anspruch auf Neuwertersatz. Aktuell entschied der OGH einen Fall, bei dem der Auftrag zur Wiederherstellung unzureichend war (OGH 7 Ob 162/21f, versdb 2021, 61).

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 16.12.2021

Am 04.02.2017 zerstörte ein Großbrand am Betriebsgelände des VN das bei der Beklagten (Versicherer) feuerversicherte Sägewerk zur Gänze und die feuerversicherten landwirtschaftlichen Gebäude zum Teil. Dem Versicherungsverhältnis – das Sägewerk betreffend – liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2002/Stufe 2) und die Besondere Bedingung der Beklagten – Klauselpaket 1 Betriebsversicherung (BV Klauseln 1 – 2014/Stufe 5) zugrunde. Diese lauteten auszugsweise:

„Allgemeine Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 2002/Stufe 2)
[...]
Art 9
Zahlung der Entschädigung; Wiederherstellung, Wiederbeschaffung; Realgläubiger
1. Der Versicherungsnehmer hat vorerst nur Anspruch:
1.1. Bei Gebäuden
1.1.1. bei Zerstörung auf Ersatz des Zeitwerts, höchstens jedoch des Verkehrswerts;
[...]

2. Den Anspruch auf den die Zahlung gemäß Pkt 1. übersteigenden Teil der Entschädigung erwirbt der Versicherungsnehmer erst dann und nur insoweit als folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
2.1. es ist gesichert, dass die Entschädigung zur Gänze zur Wiederherstellung bzw Wiederbeschaffung verwendet wird.
[...]
2.2. die Wiederherstellung eines Gebäudes erfolgt an der bisherigen Stelle. Ist die Wiederherstellung an dieser Stelle behördlich verboten, so genügt die Wiederherstellung an anderer Stelle innerhalb Österreichs;
2.3. die wiederhergestellten bzw wiederbeschafften Sachen dienen dem gleichen Betriebs- bzw Verwendungszweck;
2.4. die Wiederherstellung bzw Wiederbeschaffung erfolgt innerhalb von drei Jahren ab dem Eintritt des Schadensereignisses.
[...]“

Besondere Bedingung – Klauselpaket 1 Betriebsversicherung (BV Klauseln 1 – 2014/Stufe 5):

[...]
Wiederherstellung und Wiederbeschaffung
[...]
1. Die Wiederherstellungsfrist gemäß den AFB gilt als gewahrt, wenn innerhalb dieser Frist bindende Wiederherstellungs- bzw Wiederbeschaffungsaufträge erteilt werden, um
1.1. Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen; ist dies an der bisherigen Stelle aufgrund behördlicher Auflagen nicht möglich, so genügt es, wenn das Gebäude an anderer Stelle Österreichs wieder hergestellt wird;
[...]“

Der VN beabsichtigte nach dem Brand die Errichtung zweier anstelle ursprünglich einer Halle und eine Umstellung seines Betriebs dahin, das Holz nunmehr künstlich in einer neu zu schaffenden Kühlanlage trocknen zu lassen statt es wie vor dem Brand naturzutrocknen. Er erteilte entsprechende Aufträge über Zimmermanns-, Installations- und Elektroinstallationsarbeiten. Am 21.01.2020 und somit kurz vor Ablauf der dreijährigen Frist beauftragte der VN als „rechtsverbindlich und unwiderruflich“ weiters ein Unternehmen mit der Errichtung einer Bergehalle 30 m und einer Bergehalle 24 m sowie ein zweites Unternehmen mit dem „Rohbau für Neubau Bergehalle und Neubau Überdachung – Baumeisterarbeiten“. Das zweite Unternehmen informierte er bereits im Vorfeld darüber, dass er „irgendeinen Auftrag“ für die Versicherung benötige. Weder der VN noch die Vertreter der beiden Unternehmen gingen von rechtsverbindlichen und unwiderruflichen Aufträgen aus; es lag kein übereinstimmender Wille des Klägers und der Vertreter der Unternehmen vor, die darin angeführten Leistungen tatsächlich zu erbringen. Kurz nach Ablauf der Dreijahresfrist änderte der VN die gegenüber den beiden Unternehmen erteilten Aufträge inhaltlich und reduzierte die Auftragssummen erheblich.

Entscheidung des OGH zum Anspruch auf die Neuwertdifferenz

Art 9 der AFB 2002/Stufe 2 und der besonderen Bedingungen BV Klauseln 1 – 2014/Stufe 5 (Wiederherstellung und Wiederbeschaffung), beinhalten eine sogenannte „strenge Wiederherstellungsklausel“. Die strenge Wiederherstellungsklausel stellt eine Risikobegrenzung dar. Sie bedeutet, dass zunächst im Versicherungsfall nur ein Anspruch auf den Zeitwert entsteht und der Restanspruch auf den Neuwert von der Wiederherstellung oder deren (fristgerechter) Sicherung abhängt. Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, Absichtserklärungen des VN, die bloße Planung oder eine bloße behelfsmäßige Reparatur sind für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend. Die Wiederherstellungsklausel impliziert ein Gleichartigkeits- und ein Gleichwertigkeitsgebot, sodass Sachen gleicher Zweckbestimmung, Art und Güte wieder hergestellt oder wiederbeschafft werden müssen. Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der VN die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte.

Wenn die Vorinstanzen – selbst unter Berücksichtigung der (zum Teil verbindlich) erteilten Aufträge über Zimmermanns-, Installations- und Elektroinstallationsarbeiten – davon ausgingen, dass schon mangels bindender Wiederherstellungsaufträge in Bezug auf die Gebäudeerrichtung an sich keine fristgerechte Sicherstellung der Wiederherstellung erfolgt sei, ist die Entscheidung richtig. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, dass vor dem Hintergrund der vom VN gewählten Vorgangsweise auch durch die Erteilung der Baubewilligung und durch die Bauanzeige nicht fristgerecht sichergestellt worden sei, dass der VN die Versicherungssumme nicht für frei bestimmbare Zwecke verwenden werde, ist gleichfalls nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht ging auch in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass es sich bei den vom VN von der Beklagten erwarteten Informationen, dass die Wiederherstellung binnen der Dreijahresfrist sichergestellt sein müsse, nicht um solche handle, die der VN nur mit Unterstützung der Beklagten hätte erhalten können, sondern vielmehr um Wissen, das sich bereits aus den Versicherungsbedingungen ergibt. Im Übrigen zeigt die Vorgangsweise des VN, kurz vor Ablauf der Dreijahresfrist zumindest als „rechtsverbindlich und unwiderruflich“ bezeichnete Aufträge zu erteilen, dass er ohnehin über die entsprechenden Kenntnisse verfügte, was auch einer bewussten Irreführung durch die Beklagte – die sich im Übrigen auch aus dem Akteninhalt nicht ergibt – entgegensteht.

Der VN hat somit keinen Anspruch auf Neuwertersatz.

Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: ©lunamarina – stock.adobe.com

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