Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen steigt weiter stark um rund 36% auf über 4.700 Verfahren an. Das Vor-Pandemie-Niveau wird damit gegen Ende des Jahres erreicht werden. So die Ergebnisse des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, der die endgültigen Zahlen bei den Privatinsolvenzen für das 1. Halbjahr 2022 in Österreich analysiert.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 03.08.2022
Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist um 33,2% auf rund 4.300, die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen gar um 79,3% auf 382 Verfahren angestiegen. Diese Entwicklung sei laut Creditreform besorgniserregend, da in letzterem Fall dem Privaten der „ewige Konkurs“ und Gläubigern mangels aussichtsloser Exekutionsführung ein Totalausfall ihrer Forderungen droht. „Die schnelleren Entschuldungsmöglichkeiten seit der Reform 2021 finden immer größeren Anklang. Hinzu kommen nun vermehrt Probleme mit den steigenden Preisen und dem Bestreiten des Lebensunterhaltes“, meint Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform.
Generell lassen sich die Insolvenzursachen nicht an einem Faktor festmachen, sondern liegen im Zusammentreffen vieler Probleme, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut haben: im Job-Verlust, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie allgemein im sorglosen Umgang mit Geld. Gut ein Drittel der Schuldner sind gescheiterte Selbständige. Die Durchschnittsverschuldung liegt bei rund 60.000 Euro.
Bundesländervergleich: Mehr als 7 von 10.000 Erwachsene sind insolvent
Der Bundesländer-Vergleich zeigt den stärksten Zuwachs in Tirol (+65,3%), gefolgt von Oberösterreich (+56,4%) und Niederösterreich (+54,4%). Sinkende Insolvenzen verzeichnete kein Bundesland mehr. Ein Drittel aller Privatinsolvenzen ereigneten sich in der Bundeshauptstadt. Wien ist sowohl Spitzenreiter bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (1.605 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit: 12 von 10.000 erwachsene Wiener mussten zum Insolvenzgericht schreiten. Österreichweit waren etwas mehr als 7 von 10.000 Erwachsene zahlungsunfähig.
Conclusio und Ausblick 2022 – „Trau, schau, wem“
Seit Beginn des Jahres steigen die Privatinsolvenzen massiv an. Ein Trend, der durch die Insolvenzrechtsreform vom Juli 2021 eingeleitet wurde und nun durch die Inflation befeuert wird. Damit wird es im laufenden Jahr, wie von Creditreform bereits früher angekündigt, zu einer Rückkehr auf das Vor-Pandemie-Niveau von rund 9.000 Privatinsolvenzen kommen. „Österreich steht erst am Beginn einer Zeit steigender Privatinsolvenzen und ein Ende ist nicht in Sicht. Angesichts der Konjunkturaussichten aufgrund der Polykrisen (Lieferkettenprobleme, Ukraine-Krieg, Inflation, Gefahr einer Stagflation, nichtausgestandene Pandemie) wird mit neuen Rekorden bei der Zahlungsunfähigkeit privater Personen in den kommenden Jahren zu rechnen sein“, so Weinhofer und empfiehlt: „Unternehmen ist zu besonderer Vorsicht im Geschäftsverkehr zu raten. Bonitätsprüfungen und ein stringentes Betreiben der Forderungen hilft bei der eigenen Liquiditätssicherung und Krisenresistenz.“ In postnormalen Zeiten einer Krisenpermanenz gilt mehr denn je ‚Trau, schau, wem‘.“
Foto oben: Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform
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