In Österreich wird die Haftung des Versicherungsnehmers (VN) für das Verhalten eines Repräsentanten (das ist der Verwalter des versicherten Risikos) grundsätzlich nicht anerkannt. Wann es ausnahmsweise doch eine derartige Haftung gibt, zeigt der OGH in 7 Ob 70/19y vom 19.02.2020.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 18.09.2020
Zwischen den Parteien besteht eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Vermögensberater. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages war der VN nicht im Unternehmen tätig und hatte auch keine Absicht, dies zu tun. Er hat das ganze Unternehmen vielmehr einem einzigen Mitarbeiter, der über keine eigene Gewerbeberechtigung verfügte, „aus Dankbarkeit gegen Entgelt“ anvertraut. Er stellte ihm sein Unternehmen „zur Verfügung“ und ließ ihn ohne jegliche Kontrolle „schalten und walten“. Der VN erteilte dem einzigen Mitarbeiter (zumindest schlüssig) Auftrag und Vollmacht zum selbständigen Führen des Unternehmens in seinem Namen, ohne dass er selbst auch nur die geringste Kontrolltätigkeit entfaltete. Der Mitarbeiter führte Versicherungsfälle vorsätzlich im Sinne des § 152 VersVG herbei. Der Versicherer lehnte die Deckung mit dem Argument ab, dass dem VN das Verhalten des Mitarbeiters als seinem gewillkürten Vertreter, der auch das Versicherungsverhältnis abwickelt, zuzurechnen sei. Der VN behauptete, dass ihm das Verhalten des Repräsentanten nicht zurechenbar sei. Die Klage des VN blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der erkennende Senat lehnt zwar in ständiger Rechtsprechung die Repräsentantenhaftung des VN ab, weil die Auffassung, dass die Gefahr der Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Dritte typischerweise vertraglich vom Versicherer mitübernommen wird, dem charakteristischen Verwendungszweck der österreichischen Vertragsversicherung entspricht. Aber auch wenn der VN grundsätzlich nicht für Dritte einstehen muss, gilt dies nach der Rechtsprechung doch nicht in jedem Fall. Die Haftung für gesetzliche und gewillkürte Vertreter ist nämlich keine bloße Repräsentantenhaftung. Schon in der Entscheidung 7 Ob 44/79 hat der Oberste Gerichtshof demgemäß ausgesprochen, dass bei Bestellung eines Dritten durch den VN zum bevollmächtigten Vertreter für ein bestimmtes Vertragsverhältnis ein besonderer und selbständiger Zurechnungsgrund vorliegt. Infolge Zurechnung des Verhaltens des Mitarbeiters besteht auch gegenüber dem VN Leistungsfreiheit.
Kommentar
Im Gegensatz zu Deutschland wird in Österreich seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Haftung des VN für das Verhalten eines Repräsentanten ohne nähere Begründung nicht anerkannt. Begeht also der Repräsentant z.B. eine Obliegenheitsverletzung oder handelt er – wie hier – vorsätzlich, ist dies im Regelfall dem VN nicht zuzurechnen. Leistungsfreiheit besteht in solchen Fällen nur gegenüber dem Repräsentanten. Davon gibt es allerdings gewichtige Ausnahmen. Darunter fallen z.B. die Organe juristischer Personen, weil die Haftung für gesetzliche oder gewillkürte Vertreter keine bloße Repräsentantenhaftung ist. In der Praxis von besonderer Bedeutung ist die Haftung einer WEG für Tätigkeiten des Hausverwalters (OGH 7 Ob 82/03i). Im gegenständlichen Fall scheint es so zu sein, dass der VN bloßer „Strohmann“ für den im Betrieb Tätigen war, der auch über keine eigene Gewerbeberechtigung verfügte. In einem solchen auch gewerberechtlich bedenklichen Fall läuft man als VN Gefahr, den Versicherungsschutz auch wegen eines fremden Verhaltens zu verlieren.
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