Eine Baumschule erhielt den Auftrag, Pflegmaßnahmen an einigen Bäumen auf einem Privat-Grundstück durzuführen. Dabei wurde durch unsachgemäße Arbeiten ein Schaden an den Bäumen in Höhe von 50.000 Euro, sowie eine Wertminderung des Grundstücks von 40.000 Euro verursacht. Muss die Haftpflichtversicherung der Baumschule den Schaden bezahlen?
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 13.04.2021
Von Reinhard Jesenitschnig (Foto), C:M:S Maklerservice GmbH
Was ist passiert?
Ein Grundstück an einem österreichischen See mit wunderbarem Blick auf eine Gebirgskette, darauf eine Villa, in der es sich leben lässt. Sieben Bäume, alle im besten Alter, sorgten zudem für Schattenspendung, Schutz vor unerwünschten Nachbarblicken, Minderung lokalklimatischer Extreme. Mit einem Wort: Sie hatten für die Grundeigner äußerst positive psychologische und physiologische Auswirkungen auf den Erholungswert des Grundstückes. Mit einem Schlag änderte sich dieser Zustand, als eine Baumschule den Auftrag erhielt, Pflegemaßnahmen an den Bäumen durchzuführen, um sie für weitere Jahre fit zu halten.
Nach Beendigung der Arbeiten wurde festgestellt, dass unter anderem unsachgemäße Kronenkürzungen und Kappungen von Ästen und Stammteilen erfolgten, die Verkehrssicherheit für die nächsten Jahre nicht mehr garantiert und damit zu rechnen war, dass die Bäume innerhalb von zehn Jahren ihre Vitalität verlieren würden. An sechs Bäumen war Totalschaden eingetreten. Das alles festgestellt durch einen Sachverständigen aus dem Forstwesen, aber da war schon alles gerichtsanhängig.
Haftpflichtversicherung: 10.000 Euro Deckungslimit
Nach der Reklamation des Eigentümers und der Forderung nach Ersatzmaßnahmen sowie einer mehrere hunderttausend Euro hohen Wertminderung wandte sich die Baumschule an ihre Haftpflichtversicherung. Diese kam nach Prüfung zum Ergebnis, dass der Schaden auf mangelnder Vertragserfüllung beruhte und deshalb nicht vom Versicherungsschutz umfasst war. Der Vertrag enthielt wohl eine Klausel, wonach Tätigkeiten an unbeweglichen Sachen mit einem Limit von 10.000 Euro eingeschlossen waren, aber auch diese Klausel fiel nach Ansicht des Referenten unter den erwähnten Ausschluss. Die begehrte Wertminderung stellte für ihn einen „reinen Vermögensschaden“ dar, für den durch die vereinbarte Klausel eine ebenfalls mit 10.000 Euro begrenzte Deckung bestand. Hierfür signalisierte der Referent Leistungsbereitschaft.
Das gerichtliche Verfahren endete nach dem Vorliegen des Gutachtens mit einem Vergleich, der Schaden an den Bäumen wurde darin mit rund 50.000 Euro berücksichtigt, die Wertminderung des Grundstückes mit 40.000 Euro. Hinzu kamen die inzwischen anerlaufenen Kosten von 40.000 Euro.
Vor Abschluss des Vergleiches trat der Anwalt der Baumschule an die über den Fortgang des Verfahrens informiert gewesene Haftpflichtversicherung heran. Der nunmehrige Referent betonte in seiner Antwort, dass ein „grundsätzlich nicht gedeckter Gewährleistungsschaden“ vorliege. Es sei jedoch „Tätigkeit an unbeweglichen Sachen eingeschlossen“, die Versicherungssumme sei allerdings mit 10.000 Euro begrenzt. Von der Wertminderung als Vermögensschaden war weder auf Seiten des Anwaltes noch der Versicherung die Rede.
War damit der Deckung aus dem Vertrag Genüge getan …
… oder wäre eine differenzierte Prüfung zum Vorteil der Baumschule eventuell doch angebracht gewesen?
Wenden wir uns zunächst dem Sachschaden zu. Bäume sind unstrittig als Bestandteil des Grundstückes unbewegliche Sache, Schäden an ihnen bei der Bearbeitung fallen daher unter den Ausschluss der AHVB Art. 7 Pkt. 10.3. „Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung sind“. In unserem Fall also Schäden, die an den Schnittstellen erfolgten. Damit würde der Schaden am Baum, nämlich das spätere Absterben, weil die Wasseraufnahme nicht mehr funktioniert, weil es zu Wachstumsstörungen kommt, wohl gedeckt sein? Auch wenn Bäume als Lebewesen, die wir als „Sache“ betrachten, eine Ausnahme sind, ist zu klären, wie der Teil der „unmittelbaren Bearbeitung“ abzugrenzen ist.
Entscheidungen des OGH
Dazu hat der OGH in seiner Entscheidung 7 Ob 228/99a exemplarisch festgestellt, dass nicht entscheidend sei, ob sich die beschädigte Sache im Gefahrenbereich der Arbeiten befinden, sondern ob sich der bearbeitete Teil einer unbeweglichen Sache gegenüber den beschädigten Teilen klar abgrenzen lässt, ja, und welche Teile durch die Bearbeitung zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werden. Danach richtet sich, ob die Beschädigung unter den angeführten Ausschluss fällt oder ob – aufgrund der Abgrenzungsmöglichkeit – doch Deckung gegeben ist. Im Falle des Baumes wird wohl davon auszugehen sein, dass eine Abgrenzung der unsachgemäß bearbeiteten Stellen der Äste und Stämme vom restlichen Baum nicht möglich ist. Der Schaden am Baum wird daher insgesamt unter die Ausschlussbestimmungen fallen. Im Versicherungsvertrag der Baumschule wurde dieser Ausschluss jedoch ausdrücklich aufgehoben: „Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung sind, gelten abweichend von Art. 7 Pkt. 10.3 als mitversichert“. Allerdings mit einer Leistungsbegrenzung von 10.000 Euro. Diesen Betrag leistete der Versicherer nach Abschluss des Vergleiches.
Wie verhält es sich nun mit dem Vermögensschaden „Wertminderung“?
Diesen hatte der erste Referent als „reinen Vermögensschaden“ gesehen und gemäß der Klausel mit dem Limit von 10.000 Euro anerkannt. Nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens kann jedoch nicht mehr von einem „reinen Vermögensschaden“ gesprochen werden, zumal der Sachschaden an den Bäumen festgestellt wurde und für diesen Schaden durch die Aufhebung des Ausschlusses Deckung besteht, wenn auch mit 10.000 Euro limitiert. Diese Limitierung bezieht sich ausschließlich auf den Sachschaden, ein Vermögensschaden ist nicht davon betroffen. Nach Artikel 1 der AHVB fallen Vermögensschäden dann unter Versicherungsschutz, wenn sie auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen sind. Da sich die Wertminderung des Grundstückes auf den an den Bäumen festgestellten – und versicherten! – Sachschaden zurückführen lässt, fällt sie als „abgeleiteter Vermögensschaden“ unter Versicherungsschutz. Für diese Schadenposition gilt allerdings keine gesondert vereinbarte Leistungsbegrenzung, sie ist in voller festgestellter Höhe versichert. Zudem werden die angefallenen Rechtskosten anteilig zu berücksichtigen sein, sodass für die Baumschule ein akzeptabler Ausgang mit einem blauen Auge erreichbar sein sollte. Davon ist noch der Anwalt der Baumschule und auch die Haftpflichtversicherung zu überzeugen, ein kleines, aber interessantes Stück Arbeit im Dienst unserer Kunden, wie ich meine.
Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact April-Ausgabe!
Titelbild: ©Anja Götz – stock.adobe.com
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