Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerk öffentlich bekennt, gibt dadurch zu erkennen, dass er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muss daher den Mangel derselben vertreten (§ 1299 ABGB). Man kann nun geteilter Meinung sein, ob der Versicherungsmakler oder der Vermögensberater als Gewerbetreibender oder als Künstler zu sehen ist, das Vermeiden einer Haftung ist aber allemal eine Herausforderung und manchmal auch eine Kunst.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 06.07.2021
Von Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwalt; seit 1992 spezialisiert auf VersR, Gesellschaftsrecht und Familienrecht; Privatdozent und Vortragender
Allein der Pflichtenkatalog des § 28 Maklergesetz, IDD, GewO, Standesregeln für Versicherungsvermittlung etc. öffnen ein weites Betätigungsfeld für Kunden und Anwälte. Ungeachtet dieses Haftungspotenziales müssen Sie jedoch stets ehrlich, redlich und professionell, im bestmöglichen Interesse Ihrer Kunden handeln. Das Problem dabei, Sie müssen JETZT handeln, gerichtlich beurteilt wird Ihr Verhalten meist erst Jahre später im Rückblick. In dieser Zwischenzeit kann sich die Perspektive erheblich verändern.
§ 28 Ziffer 6 MaklerG letzter Halbsatz: namentlich auch bei Wahrnehmung aller für den Versicherungskunden wesentlichen Fristen.
Nun ist auf den ersten Blick natürlich klar, dass Sie die Schadensmeldefristen, die Klagsfrist gemäß § 12 Abs. 3 Vers VG, die Wiederbeschaffungs- und Wiederherstellungsfristen, Kündigungsfristen und viele andere, beachten und den Kunden entsprechend darüber aufklären müssen.
ABER: Müssen Sie Ihren Kunden (im vorliegenden Fall einen Steuerberater) aber auch darauf hinweisen, dass er, wenn er eine Klage zugestellt bekommt, binnen 4 Wochen eine Klagebeantwortung zu erstatten hat, widrigenfalls ein Versäumungsurteil gegen ihn ergeht und dadurch einen Exekutionstitel gegen ihn besteht?
OGH: gleichteiliges Verschulden
Ein Steuerberater (GmbH) wird von einem seiner Kunden wegen eines behaupteten Beratungsfehlers gerichtlich belangt. Der Streitwert etwa 170.000 Euro. Der Steuerberater übermittelt diese Klage seinem Versicherungsmakler am letzten Tag der Frist zur Erstattung einer Klagebeantwortung mit dem Ersuchen, „bitte um Veranlassung“. Der Versicherungsmakler ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Büro (am Golfplatz), bearbeitet dieses E-Mail erst am nächsten Tag und leitet dieses an den Haftpflichtversicherer-ohne Kommentar-weiter. Einige Tage später meldet sich der Haftpflichtversicherer mit der Bitte um weitere Unterlagen, die ihm vom Versicherungsnehmer selbst übermittelt werden. Um eine Klagebeantwortung kümmert sich niemand.
Acht Wochen später erhält der Steuerberater das gegen ihn erlassene Versäumungsurteil (wegen Nichterstattung einer Klagebeantwortung) zugestellt. Dieses Versäumungsurteil leitet er wieder an den Versicherungsmakler mit dem Ersuchen, „bitte um Veranlassung“ weiter. Zu diesem Zeitpunkt konnte man gegen das Versäumungsurteil -binnen 14 Tagen- Widerspruch erheben. Diese Frist sollte erst in fünf Werktagen ablaufen. Der Versicherungsmakler schickt am gleichen Tag das Versäumungsurteil samt E-Mail an den Haftpflichtversicherer weiter, der sich aber nicht rührt. Fünf Werktage nach Ablauf dieser Widerspruchsfrist meldet sich der Haftpflichtversicherer und teilt mit, dass er aus mehreren Gründen leistungsfrei sei.
Im darauffolgenden Deckungsprozess wendete der Haftpflichtversicherer unter anderem ein, dass der Versicherungsnehmer alle Gerichtsfristen ungenutzt verstreichen hat lassen. Im Ergebnis wird die Deckungsklage rechtskräftig in drei Instanzen abgewiesen. Daraufhin klagt der Steuerberater seinen Versicherungsmakler und meint, Gerichtsfristen seien auch Sache des Versicherungsmaklers.
Der OGH kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass sowohl Steuerberater als Versicherungsmakler ein gleichteiliges Verschulden am Schaden zu verantworten haben. Der Steuerberater, weil er sich um die Gerichtsfristen praktisch nicht gekümmert hat, der Versicherungsmakler, da er gesehen habe, dass sich der Steuerberater nicht um die Gerichtsfristen kümmert. In diesem Fall ist der Versicherungsmakler verpflichtet, seinen Kunden – der Steuerberater ist und allein aufgrund seines Berufes fristenaffin sein sollte- auf diese Fristen und die Folgen aufmerksam zu machen.
Notiz am Rande:
Im Hinblick auf den vorangegangenen Deckungsprozess betrug das Punktum in der Auseinandersetzung mit dem Versicherungsmakler nun knapp 400.000 Euro. 50% davon sind auch noch eine Menge Holz (7 Ob 63/19v).
Man kann nun geteilter Meinung sein, ob der Versicherungsmakler oder der Vermögensberater als Gewerbetreibender oder als Künstler zu sehen ist, das Vermeiden einer Haftung ist aber allemal eine Herausforderung und manchmal auch eine Kunst.
AssCompact Beratertage 2021
Dr. Walter Niederbichler referiert bei den AssCompact Beratertagen 2021 zum Thema „Beraterhaftung, Pest, Cholera oder doch nur Grippe?“ Dabei geht es um die Haftung des Beraters im Lichte der neueren Judikatur; aus der Praxis für die Praxis.
Die AssCompact Beratertage 2021 im Überblick:
- Donnerstag, 19. August 2021 in Linz
- Dienstag, 24. August 2021 in Graz
- Donnerstag, 26. August 2021 in Salzburg
- Mittwoch, 01. September 2021 in Wien
Hier geht’s zur kostenfreien Anmeldung …
Foto oben: Dr. Walter Niederbichler
Titelbild: ©ARMMYPICCA – stock.adobe.com
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren