Hochwasser in Australien, Überschwemmungen in Nigeria mit mehreren hundert Toten und auf Kreta nach den schlimmsten Unwettern seit 100 Jahren. Diese Meldungen gingen in den vergangenen Tagen durch die Medien. Das Versicherungsinstitut an der JKU Linz widmet sich zu seinem 40-jährigen Bestehen diesem brisanten Thema. Und alle Vortragenden sind sich einig: Österreich ist für Überschwemmungen versicherungstechnisch nicht ordentlich gerüstet.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 03.11.2022
Hochwasser in Australien, Überschwemmungen in Nigeria mit mehreren hundert Toten und auf Kreta nach den schlimmsten Unwettern seit 100 Jahren. Diese Meldungen gingen in den vergangenen Tagen durch die Medien. Zwar sind wir heuer glimpflich davongekommen, aber auch Österreich bleibt davor nicht verschont. In Erinnerung ist uns noch das Hochwasser im deutschen Ahrtal, dessen Ausläufer auch bei uns 2021 zu schweren Überschwemmungen führte. In vielen betroffenen Ländern wurden Unsummen für Hilfs- und Rettungsmaßnahmen ausgegeben, um die enormen Schäden zu beseitigen – nicht nur für die Geschädigten, sondern auch für Versicherer eine riesige Herausforderung, vor allem weil es bislang keine vernünftige Versicherungslösung gibt.
Sogenannte „Jahrhundertfluten“ treten in Österreich immer öfter auf. Meldungen von 2002, 2006, 2012, 2013 und 2018 zeigt die Zunahme an extremen Wettereignissen. Daher beleuchtet das Institut für Versicherungswirtschaft an der JKU Linz zu seinem 40-jährigen Bestehen dieses brisante Thema genauer.
„Die Schäden aus Naturkatastrophen zeigen immer kürzere Wiederkehrperioden mit immer größeren Schadenausmaßen. Dabei sind Hagel- und Sturmschäden die Folgen jener Elementarereignisse, die die österreichische Versicherungswirtschaft für Kunden zur Gänze abdeckt. Nicht so hingegen für Überschwemmungsschäden in Folge von Hochwasser führenden Flüssen oder Starkregenereignissen. Hier gibt es bislang keine ordentliche Versicherungslösung. Wir können daher unsere Kunden nicht im gewünschten Ausmaß unterstützen“, so Othmar Nagl, Vorsitzender des Instituts für Versicherungswirtschaft.
Seit etwa 20 Jahren fordern immer mehr Versicherer, dass die Katastrophen-Versicherung wie etwa in der Schweiz, eine Pflichtversicherung wird. Keine Regierung hat bisher diese Forderung unterstützt, und es ist auch weiterhin keine Änderung der Haltung erkennbar. „Wenn sich alle Gebäude- und Wohnungsbesitzer gegen sämtliche Elementarrisiken versichern müssen, wäre auch die Versicherungsprämie jedes Einzelnen besser leistbar, weil damit eine größere Versicherungsgemeinschaft solidarisch zusammensteht. Der Vorteil für die Betroffenen wäre, dass sie nicht mehr Bittsteller wie etwa bei Auszahlungen vom Katastrophenfonds sind, sondern sie hätten Rechtsanspruch auf Ersatzleistungen“, erklärt Othmar Nagl.
Wasser – die unterschätze Gefahr
Naturgefahren gefährden Existenzen, Eigentum und sogar Menschenleben, das wird uns laufend deutlich vor Augen geführt. Die Bevölkerung wird zunehmend sensibler, dennoch sind sich noch immer nicht alle der Gefahren bewusst, vor allem nicht, dass die Folgen von Versicherungen nicht gedeckt sind. Überschwemmungen sind längst nicht mehr nur ein Problem für wassernahe Gebäude.
„In Österreich kann eine erfolgreiche Anpassung an die künftig zu erwartenden Naturgefahren gelingen. Dafür braucht es aber eine optimale Zusammenarbeit aller im Risikokreislauf Beteiligten. Also von der Prävention zur richtigen und sicheren Intervention bis hin zum Risikotransfer, wenn die Natur das ein oder andere Mal doch extremer kommt als erwartet“, so Hans Starl, Bereichsleiter Elementarschadenprävention, EPZ Elementarschadenpräventionszentrum Linz.
Swiss Re: Überschwemmungen brauchen breitere Basis
Angesichts der hohen Inflation und der gestiegenen Risiken durch Naturkatastrophen fordert die Swiss Re aktuell von den Versicherern, einen größeren Anteil der Risiken selbst zu übernehmen, also weniger Risiken an Rückversicherer abzugeben.
„Im Vergleich zur Periode 2000-2010, haben sich die globalen Überschwemmungsschäden im letzten Jahrzehnt verdoppelt. Nur 15% dieser Schäden waren versichert. Wir rechnen damit, dass der Klimawandel und sozio-ökonomische Entwicklungen Überschwemmungsschäden in Zukunft weiter in die Höhe treiben werden. Dieser Entwicklung müssen wir mit einem besseren Verständnis von Hochwasserrisiken, erfolgreicher Risikoprävention und effizienten Versicherungslösungen entgegenwirken. Im europäischen Vergleich weist Österreich eine geringe Versicherungsdichte auf und Elementarpolizzen offerieren meist nur niedrige Deckungssummen. Ist Österreich für zukünftige Überschwemmungsereignisse gut gewappnet?“, fragt der Natural Hazard Specialist des Schweizer Rückversicherers, Jan Winkler.
Um weniger Rückversicherungskapazitäten zu brauchen, müsste der Risikoausgleich in der Erstversicherung verbessert werden. Das kann nur über größere Versicherungsgemeinschaften funktionieren. „Die größte finanzielle Gefahr in Oberösterreich und Österreich durch den Klimawandel geht eindeutig von Veränderungen im Hochwassergeschehen aus. Bereits heute hat Österreich das zweithöchste Hochwasserrisiko von allen europäischen Ländern. Der einzelne Haushalt ist durch den Katastrophenfonds aber nur ungenügend (zu rund 50 Prozent) durch diese finanzielle Bedrohung geschützt und es gibt auch keinen ausreichenden privaten Versicherungsschutz. Daher gehört eine bessere finanzielle Risikovorsorge zu einer der vordringlichsten Aufgaben für die Anpassung an die steigenden Gefahren durch den Klimawandel neben der ebenso dringend gebotenen Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft.Die gute Nachricht im Hinblick auf die Bewältigung des Hochwasserrisikos ist, dass das Risiko als Ganzes betrachtet, versicherbar ist, das heißt, wenn die öffentliche Hand und der private Versicherungssektor zusammenarbeiten, kann das Risiko zu leistbaren Prämien gestemmt und auch an internationale Rückversicherer ausgelagert werden, wenn man das möchte“, sagt Franz Prettenthaler, Direktor von Joanneum Research-LIFE Institut für Klima, Energie, Gesellschaft in Graz.
„Wie also können wir mit dem Risiko umgehen? Kurz zusammengefasst so: Das Risiko erkennen, vermeiden und eine ordentliche Versicherungslösung entwickeln. Ich könnte mir eine Lösung nach dem Vorbild der Hagelversicherung in der Landwirtschaft vorstellen. Man könnte mit der Bündelung aller Sturmversicherungen beginnen und schrittweise eine österreichische Katastrophen-Versicherung aufbauen, die als alleinige Anlaufstelle diese Risiken versichert und damit den regionalen Risikoausgleich schafft, weil nicht gleichzeitig in ganz Österreich schwere Schäden entstehen. Im Idealfall gibt es staatliche Zuzahlungen bei den Versicherungsprämien ebenfalls in Analogie zur Hagelversicherung bei landwirtschaftlichen Kulturen. Dafür würden keine Katastrophenfonds der Länder mehr gebraucht werden und die Länderbudgets entlastet“, ergänzt Othmar Nagl abschließend.
Foto oben: Die Referenten der Herbstveranstaltung des Versicherungsinstituts (v.l.n.r.): Hans Starl, Jan Winkler, Franz Prettenthaler und Othmar Nagl sind sich einig, für eine umfassende Versicherungslösung bei Überflutungen braucht es eine breite Basis.
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