Groß waren die Hoffnungen zahlreicher Betreiber von Gast- und Beherbergungsbetrieben, dass sie für die gesamte Dauer der bedingt durch die COVID-19-Pandemie behördlich verordneten Betriebsschließungen eine Entschädigungsleistung aus den von ihnen abgeschlossenen Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherungen erhalten würden.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 05.03.2021
Der OGH hat in seiner aktuellen Entscheidung zu 7 Ob 214/20a dazu ausführlich Stellung genommen und klargestellt, dass eine Deckungsverpflichtung aus der Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung nur bei einer Betriebsschließung aufgrund des Epidemiegesetzes besteht.
Sachverhalt
„Der klagende Versicherungsnehmer hat beim beklagten Versicherer einen Bündel-Betriebsversicherungsvertrag abgeschlossen, bei dem auch das Risiko der Betriebsschließung infolge Seuchengefahr aufgrund des Epidemiegesetzes mitversichert war“, weiß Dr. Christian Wolf von der ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH. Die maßgeblichen Versicherungsbedingungen lauten – soweit hier relevant – wie folgt:
„Was ist versichert? – Artikel 1
1. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass auf Grund des Epidemiegesetzes (BGBl 186/1950) in der letztgültigen Fassung
1.1. der im Antrag bezeichnete Betrieb von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird,
1.2. […]
[…]
Übergang des Entschädigungsanspruches – Artikel 5
Der Anspruch auf Entschädigung, der dem Versicherungsnehmer aus Anlass der behördlichen Betriebsschließung gegen den Bund zusteht, geht auf den Versicherer nach Maßgabe seiner Versicherungsleistung über. Auf Verlangen des Versicherers ist diesem eine entsprechende Abtretungsurkunde auszustellen.“
Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde der Betrieb des Klägers mit 16.03.2020 behördlich geschlossen, wobei die Schließung nur in der Zeit vom 16. bis zum 27.03.2020 auf Grundlage der Bestimmungen des Epidemiegesetzes (bzw. auf einer diesbezüglich erlassenen Verordnung der zuständigen BH) geschlossen war.
Beginnend ab 28.03.2020 wurde – aufgrund einer Verordnung des Landeshauptmanns für Vorarlberg vom 27.03.2020 – nur mehr ein landesweites Betretungsverbot von Beherbergungsbetrieben ausgesprochen. Dieses verordnete Betretungsverbot (konkret die Untersagung des Betretens des Kundenbereiches von Betriebsstätten) hatte seine Rechtsgrundlage allerdings nicht im Epidemiegesetz, sondern stützte sich auf das COVID-19-Maßnahmengesetz.
Der beklagte Versicherer hat für die Schließung des Betriebes des Klägers in der Zeit vom 16. bis zum 27.03.2020 die vertraglich vereinbarte Versicherungsleistung erbracht; eine darüber hinausgehende Zahlung hat der Versicherer (ua) mit der Begründung abgelehnt, dass immer dann, wenn nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz ausgesprochene Betretungsverbote lediglich zu faktischen Betriebsschließungen führen, sich nicht jenes Risiko verwirklicht hat, das der Versicherer aufgrund der klaren Anführung und Bezugnahme auf das Epidemiegesetz in den Versicherungsbedingungen übernommen hat. Weiters hat der Versicherer argumentiert, dass der in Artikel 5 der Versicherungsbedingungen angesprochene Forderungsübergang auf den Versicherer nur für den Fall einer Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz stattfindet, sodass vom Versicherungsschutz auch nur jene behördlichen Maßnahmen umfasst sein können, bei denen sich der Versicherer nach Erbringung der Versicherungsleistung am Staat „regressieren“ kann. Solche Entschädigungsansprüche stehen aber bei den aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassenen Verordnungen nicht zu.
Der Kläger begehrte vom Versicherer auch für die Zeit ab 28.03.2020 eine Versicherungsleistung und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass sich faktisch ja nichts geändert hat, ein Betretungsverbot einer Betriebsschließung im Ergebnis gleichkäme und eine bloße Änderung der Rechtsgrundlage nicht zum Verlust seines Anspruches auf (weitere) Versicherungsleistung führen könne.
Erstgericht und Berufungsgericht gaben der Klage statt, wobei sie sich im Ergebnis der Argumentation des Klägers anschlossen.
Die gegen das Berufungsurteil erhobene Revision des Versicherers war erfolgreich und führte zu einer gänzlichen Klagsabweisung.
Beurteilung durch den OGH:
Mit dem Epidemiegesetz und dem COVID-19-Maßnahmengesetz bestehen zwei verschiedene Normen nebeneinander, was schon darauf hindeutet, dass sie gerade nicht dasselbe Risiko abdecken sollen, weil es ansonsten nicht beider Bestimmungen bedurft hätte. Die Versicherungsbedingungen des beklagten Versicherers, die auf Betriebsschließungen nach dem Epidemiegesetz abstellen, haben damit trotz des COVID-19-Maßnahmengesetzes auch weiter einen Anwendungsbereich.
Ein nach § 1 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz angeordnetes Betretungsverbot ist schon begrifflich etwas anderes als eine (nach den Versicherungsbedingungen erforderliche) Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz. Eine Schließung des Betriebs muss nach den Versicherungsbedingungen auch zu einem gänzlichen Betriebsstillstand führen, während bei einem Betretungsverbot dem Wortlaut nach grundsätzlich kein solcher Betriebsstillstand eintritt, weil weiterhin die teilweise Aufrechterhaltung des Betriebs möglich ist (zB durch Online-Bestellungen, Abholungen, Zustellungen). Schon ausgehend vom Wortlaut besteht daher ein erheblicher Unterschied zwischen einem Betretungsverbot und einer Betriebsschließung.
Das Risiko einer bloß faktisch als Nebenwirkung eintretenden Betriebsschließung aufgrund eines angeordneten Betretungsverbots nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz ist daher von Art 1.1.1 der Versicherungsbedingungen nicht gedeckt.
Zu berücksichtigen ist weiters, dass nach Artikel 5 der Versicherungsbedingungen der Anspruch auf Entschädigung, der dem Versicherungsnehmer aus Anlass der behördlichen Betriebsschließung gegen den Bund zusteht (vgl § 32 Abs 4 Epidemiegesetz), auf den Versicherer nach Maßgabe seiner Versicherungsleistung übergeht. Demgegenüber sieht das COVID-19-Maßnahmengesetz keine derartige Ersatzleistung des Bundes vor, weshalb der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer auch nicht erwarten darf, dass er bei einem derart erhöhten Risiko des Versicherers durch eine mit dem Epidemiegesetz wirtschaftlich nicht vergleichbare Rechtslage dennoch auch für Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz bei derselben Prämie auch eine gleiche Versicherungsleistung erhält.
Im Ergebnis steht dem Kläger für die Zeit ab 28.03.2020, ab dem nur mehr ein behördlich angeordnetes Betretungsverbot bestand, auch kein Anspruch auf eine Versicherungsleistung mehr zu. Die Klage des Versicherungsnehmers wurde daher abgewiesen.
Foto oben: Rechtsanwalt Dr. Christian Wolf (Foto), ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH
Titelbild: @ lev dolgachov -adobe.stock
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