Lebensversicherungen gehören in ihrer Vielfalt zu jenen Versicherungsprodukten, bei denen der Informationsbedarf besonders hoch ist. Dass man bei Spezialprodukten, die sich auch an Spezialkunden richten, nicht übertreiben muss, zeigt die Entscheidung OGH 7 Ob 105/24b vom 28.8.2024.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Der VN schloss 2008 eine Fondsgebundene Lebensversicherung ab. 2018 wurde der Rückkaufswert von rund 120.000 Euro an den VN ausbezahlt. Der Vertrag enthielt unter anderem auch ein individuelles Asset Liability Modeling (ALM). Darunter versteht man ein Portfoliomanagement, das nach der persönlichen Zielvorgabe des VN auf ein bestimmtes individuelles Renditeziel hin orientiert ist und das unter Berücksichtigung von historischen und aktuellen Daten sowie insbesondere von Erwartungswerten der Kapitalmarktrenditen durchgeführt wird. Der VN begehrt eine weitere Zahlung von rund 18.000 Euro, weil diese Klausel intransparent und missbräuchlich sei. Durch die Gesamtnichtigkeit des Vertrages habe er Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen den von ihm gezahlten Versicherungsprämien und dem ausgezahlten Rückkaufswert samt Zinsen seit dem Vertragsschlusszeitpunkt. Es sei nicht erkennbar, auf Basis welcher konkreten Parameter das Portfolio des VN verwaltet werde. Zudem beinhalte die Klausel eine vollkommene Überwälzung des Veranlagungsrisikos auf den VN.
Entscheidungsgründe
Es liegt zweifellos ein kompliziertes Anlageprodukt vor, bei dem der Versicherer aufgrund individueller Vorgaben des VN zunächst ein Portfolio zusammenstellen und dann an äußere Umstände wie die Marktentwicklung über eine Laufzeit von 25 Jahren anpassen muss, um die Renditeerwartung des VN zu erfüllen. Entgegen der Ansicht des VN wird der den Maßstab bildende durchschnittlich verständige, vom Abschluss einer Fondsgebundenen Lebensversicherung mit individuellem ALM interessierte Verbraucher, der die Klausel in Zusammenschau mit der Modellrechnung aufmerksam durchliest, über das Wesen des Portfoliomanagements und die wesentlichen Grundsätze, auf denen die Veranlagungsentscheidungen basieren, möglichst verständlich und in gebotener, verarbeitbarer Kürze richtig und ausreichend unterrichtet. Die vom Versicherer gewählten Vereinfachungen sind dabei der Verständlichkeit zuträglich. Diese sind ebenso wenig zu beanstanden wie die Verwendung der einem durchschnittlichen VN weniger geläufigen Begriffe, liegt dies jedoch in der Natur der Sache und ist dementsprechend unumgänglich.
Kommentar
Die Belehrung des auf derartige Produkte spezialisierten Versicherers ist wirklich beeindruckend. Ausdrücklich wird festgehalten, dass ALM den Verlust des eingesetzten Kapitals nicht ausschließt und das Veranlagungsrisiko der VN trägt. Gerade bei Fondsgebundenen Lebensversicherungen erwarten sich VN oftmals eine hohe Rendite, und wenn diese nicht eintritt, wollen sie „zurückrudern“. Analog zur Entscheidung OGH 7 Ob 51/24m (siehe asscompact vom November 2024) wird auch hier festgehalten, dass die Vereinbarung eines Rentenwahlrechtes nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Das Begehren auf 4% Zinsen ab dem Vertragsabschluss ist zwar verständlich, aber hoffnungslos. Bereits vor Jahren hat der OGH im Zusammenhang mit dem „ewigen Rücktrittsrecht“ in etlichen Entscheidungen festgestellt, dass Zinsen nur für die vergangenen drei Jahre geltend gemacht werden können, was einen Rücktritt meist deutlich unattraktiver macht (etwa OGH 7 Ob 136/20f und 7 Ob 150/20i).
Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Februar-Ausgabe!
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