Der Kläger ersteigerte eine Liegenschaft ohne diese vorher je gesehen zu haben. Aus einem Gutachten war ihm jedoch bekannt, dass das Objekt sichtbare Verfallserscheinungen aufwies, die er jedoch beim Abschluss einer Gebäudeversicherung für das Objekt nicht bekannt gab. Nach einem Brand forderte der Kläger Deckung von der Versicherung.
Artikel von
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Der Kläger ersteigerte eine Liegenschaft mit dem darauf befindlichen Gebäude um 42.500 Euro (Meistbot). Eine Besichtigung der Liegenschaft fand nie statt. Der Kläger kannte jedoch das im Versteigerungsverfahren eingeholte Gutachten, in dem der Sachverständige ausführte, dass das gesamte Objekt sichtbare Verfallserscheinungen aufweise, eine nicht erhaltungswürdige Bausubstanz habe und das Ende der technisch-wirtschaftlichen Lebensdauer erreicht habe. Am selben Tag informierte sich der Kläger im Internet über Versicherungen für die von ihm ersteigerte Liegenschaft und wählte über ein Vergleichsportal das Angebot der Beklagten mit einer Versicherungssumme von 265.000 Euro aus. Im Zuge des Versicherungsvertragsabschlusses kam die Frage, ob sich das Gebäude in einem ordnungsgemäßen Bauzustand befinde. Da der Kläger wusste, dass das gegenständliche Gebäude den gefragten Zustand nicht aufwies, blieb er an der Frage hängen, beantwortete diese sodann dennoch mit „ja“, um die Versicherung über den wahren Zustand des Objekts zu täuschen und den Versicherungsvertrag abzuschließen.
Fünf Monate nach Vertragsabschluss kam es zu einem Brand, durch welchen der Stalltrakt des Gebäudes weitgehend zerstört wurde.
Der Kläger begehrte einen Betrag von rund 172.000 Euro aus der mit der Beklagten geschlossenen Feuerversicherung.
Wie ist die Rechtslage?
In der Entscheidung zu 7 Ob 87/22b berief sich der OGH auf § 16 Abs 1 VersVG welcher besagt, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen hat. Erheblich ist ein Umstand schon dann, wenn er bei objektiver Betrachtung geeignet ist, den Versicherer zur Ablehnung des Versicherungsvertragsabschlusses zu veranlassen. Ob der Versicherer den Vertrag nach Kenntnis der wahren Sachlage tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte, ist nicht erforderlich.
Des Weiteren führte der OGH aus, dass an den Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht ganz erhebliche Anforderungen zu stellen sind, insbesondere dann, wenn Individualtatsachen betroffen sind. Eine schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht liegt schon bei leichter Fahrlässigkeit vor, wobei der Beweis für das fehlende Verschulden an der Anzeigepflicht grundsätzlich den Versicherungsnehmer trifft. Wurde ein erheblicher Umstand im Sinne des § 16 Abs 1 VersVG nicht angegeben, so kann der Versicherer nach § 16 Abs 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Auch ohne Vertragsauflösung kann sich der Versicherer nach der ständigen Rechtsprechung auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er erst nach dem Versicherungsfall von der Verletzung der Anzeigeobliegenheit erfahren hat.
Gegenständlich bejahte der OGH die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Beklagte aufgrund der schuldhaften Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Kläger leistungsfrei sei, da der Kläger im Antrag über die Frage des Versicherers angegeben habe, dass sich das versicherte Gebäude in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde, obwohl er aufgrund des Sachverständigengutachtens wusste, dass dies unrichtig ist. In diesem Zusammenhang bezog sich der OGH darauf, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsvertragsabschlusses das im Versteigerungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten vorlag und somit auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne jeden Zweifel ersichtlich war, dass das Gebäude nicht in einem ordnungsgemäßen Bauzustand war. Laut OGH haben die Vorinstanzen die Ansicht des Klägers, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ein Bauzustand nur dann „nicht ordnungsgemäß“ im Sinne der von der Beklagten gestellten Frage sei, wenn der Zustand „bauordnungswidrig“ sei, verneint.
Schlussfolgerung
„Den Versicherungsnehmer trifft bei Abschluss eines Versicherungsvertrages eine besondere Sorgfaltspflicht, wenn es um die Auskunft über Tatsachen geht, die nur der Versicherungsnehmer aus eigenem Wissen erteilen kann (sogenannte 'Individualtatsachen'). Dafür reicht schon aus, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis von dem im Versteigerungsverfahren vorliegenden Gutachtens hatte.“
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