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Streit nach Übernahme eines Versicherungsmaklers: Rechtsschutzversicherer verweigert Deckung

Streit nach Übernahme eines Versicherungsmaklers: Rechtsschutzversicherer verweigert Deckung

01. Februar 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der Versicherungsnehmer ist Versicherungsmakler und übernahm sämtliche Geschäftsanteile einer anderen Versicherungsmakler GmbH. Der Versicherungsnehmer behauptete, von den ehemaligen Gesellschaftern über den Tisch gezogen worden zu sein, weil die GmbH lange vor dem Verkauf bereits konkursreif gewesen sei. Für die Klage gegen die früheren Gesellschafter wollte der Versicherungsnehmer Rechtsschutzdeckung – der Rechtsschutzversicherer lehnte die Deckung ab.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 01.02.2021

Der Versicherungsnehmer erwarb mit einem Abtretungsvertrag von allen Gesellschaftern sämtliche Gesellschaftsanteile an einer Versicherungsmakler GmbH um insgesamt EUR 500.000. Der Versicherungsnehmer behauptet nunmehr, diese GmbH sei lange vor Verkauf konkursreif gewesen und es hätte längst vor dem Verkauf Insolvenz angemeldet werden müssen, was der Versicherungsnehmer unmittelbar nach Übernahme der Geschäftsanteile auch habe tun müssen. Der Versicherungsnehmer forderte zunächst mit einem Anspruchsschreiben alle ehemaligen Gesellschafter auf, die Kaufpreise zurückzuzahlen. Eine Rückzahlung erfolgte nicht, weshalb der Versicherungsnehmer beabsichtigt, gegen die ehemaligen Gesellschafter Klage zu erheben. Für diese Klagsführung beanspruchte der Versicherungsnehmer Deckung von seiner Rechtsschutzversicherung. Der Rechtsschutzversicherer lehnte die Deckung ab.

Der Versicherer stützte sich in seiner Ablehnung im Wesentlichen auf folgende Ausschlüsse:

  • Ausschluss „Kauf, Verkauf oder Übertragung von Maklerbeständen“
  • Ausschluss Gesellschaftsrecht
Ausschluss „Kauf, Verkauf oder Übertragung von Maklerbeständen“:

Der Rechtsschutzversicherungsvertrag enthielt folgende Besondere Vereinbarung aufgrund eines Rahmenvertrages des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten: „Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Kauf bzw. Verkauf oder der Übertragung von Maklerbeständen. Dies gilt sinngemäß auch für Teilbestände.“

Der OGH bestätigte zunächst, dass dieser Ausschluss im konkreten Versicherungsvertrag auch Vertragsbestandteil wurde. Er verneinte allerdings für den konkreten Versicherungsfall die Anwendbarkeit dieses besonderen Risikoausschlusses: Der bloße Erwerb von Maklerbeständen steht dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH, die als Versicherungsmaklerin tätig ist, nicht gleich, erfasst doch der Anteilserwerb auch weitere Vermögenswerte, wie etwa Geschäfts-(Firmen-)wert, Mitarbeiter des Unternehmens, Sachanlagen (Betriebs- und Geschäftsausstattung, Büromaschinen, EDV) oder auch allfällige Finanzanlagen. Unterschiedliche (steuer-)rechtliche und wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten erfordern eine Differenzierung zwischen Asset-Deal und Share-Deal, die es in Verbindung mit der gebotenen einschränkenden Auslegung von Risikoausschlüssen verbieten, den Deckungsausschluss für die Übernahme eines Maklerbestands auch auf den Erwerb von Geschäftsanteilen zu erstrecken.

Ausschluss Gesellschaftsrecht:

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen (ARB 2012) und die Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 2012) zugrunde. Art. 7.3.3. ARB 2012 lautet:

„Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen [...] 3. aus dem Bereich des [...] 3.3. Gesellschafts-, Genossenschafts-, Stiftungs- und Vereinsrechtes, [...]“

Der OGH verneinte auch die Anwendbarkeit des Ausschlusses für Gesellschaftsrecht: Der Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 trifft nur Interessenwahrnehmungen, die ihren Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht, also im Kern in typisch gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander ihren Ausgang genommen haben. Daher ist die Geltendmachung von Ansprüchen aus Vertragsanfechtung wegen Irrtums und Verkürzung über die Hälfte sowie aus Gewährleistung und Schadenersatz aus dem Erwerb von Geschäftsanteilen, die vorrangig allgemeinen schuldrechtlichen Regeln folgen, vom Ausschluss nach Art 7.3.3. ARB 2012 nicht erfasst.

Anmerkung

Die Entscheidung des OGH ist wohl richtig und auch knapp – aber sehr gut – begründet.

Der besonders vereinbarte Ausschluss für den Kauf, Verkauf oder Übertragung von Maklerbeständen kommt im vorliegenden Fall schon aufgrund des Wortlautes dieser Bestimmung nicht zur Anwendung. Der Versicherungsnehmer kaufte nicht (nur) Vertragsbestände, sondern übernahm sämtliche Geschäftsanteile einer Versicherungsmakler GmbH. Das zugrundeliegende Rechtsgeschäft ist daher ein völlig anderes als jenes, das vom Ausschlusstatbestand umfasst ist.

Die Anwendbarkeit des Ausschlusses für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Gesellschaftsrechtes wurde vom OGH auch völlig zurecht verneint, weil Ausschlüsse, die den Versicherungsschutz ja einschränken, eng auszulegen sind. Vom Ausschluss erfasst ist nur der Kernbereich des Gesellschaftsrechts.

Dazu hier auch zwei weitere Beispiele, bei denen der Ausschluss „Gesellschaftsrecht“ nicht zur Anwendung kommt (Gisch/Weinrauch, Praxisprobleme Rechtsschutz, Verlag Österreich 2018):

  • Die Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen betrifft nicht die Stellung des Erwerbers als Aktionär, sondern dient dem Schutz des Kapitalanlegers. Dieser Streit ist nicht dem Bereich des Gesellschaftsrechts, sondern dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen;
  • Der Verstoß des Vorstandes oder des Aufsichtsrates wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse der AG ist nach Empfehlung des deutschen Versicherungsombudsmannes vom Risikoausschluss nicht umfasst, da die vom dt. AktG geforderte Darstellung des Unternehmens keine gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse regelt, sondern den Schutz des Rechtsverkehrs nach außen hin bezweckt;

Bei der Anwendbarkeit von Ausschlüssen ist also Vorsicht geboten. Oft sind Fälle, die auf den ersten Blick einem Ausschlusstatbestand unterliegen, bei genauer Betrachtung dann doch gedeckt.

Autor: Ewald Maitz (Foto oben), MLS – www.knowhow-versicherung.at

versdb – Datenbank: www.versdb.at

versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: ©Studio_East – stock.adobe.com

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