Das Beenden von Versicherungsverträgen gehört für den Versicherungsvermittler zum Tagesgeschäft. Ein schier unüberblickbares Konvolut von Gesetzen und Klauseln regelt Rücktritt, Kündigung und Anfechtung von Verträgen. Diese Normen werden – obwohl klar formuliert – von Vermittlern und Versicherern unterschiedlich interpretiert, analysiert und angewandt. Ein Umstand, der eine Vielzahl von Fragen aufwirft, die Experten Mag. Alexander Meixner, Vize-Präsident des ÖVM und Sprecher bei den AssCompact Trendtagen 2022, beantwortet.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 16.09.2022
Sind 10-jährige Laufzeiten für Versicherungsverträge überhaupt zulässig?
In Österreich ist es übliche Praxis, zehnjährige Versicherungsverträge – meist gegen Gewährung eines Prämiennachlasses – abzuschließen. Verbrauchern wurde mit der VersVG-Novelle 1994 im Paragraph 8 Abs 3 das Recht eingeräumt, einen Versicherungsvertrag, der für die Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen wurde, zum Ende des dritten oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen. Unternehmern ist eine derartige Kündigungsmöglichkeit nicht gegeben. Umstritten ist, ob diese Lücke planwidrig oder gewollt ist. Der Oberste Gerichtshof hat jedenfalls in seiner Entscheidung 7 Ob 152/01 für Unternehmensverträge eine Analogie zu § 8 Abs 3 VersVG abgelehnt.
Paragraph 8 Abs 2 VersVG sieht für Verträge, die auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden, unter Berücksichtigung eines höchstens zweijährigen Kündigungsausschlusses eine Beendigungsmöglichkeit nach drei Jahren vor. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob es sich beim Versicherungsnehmer um einen Unternehmer oder einen Verbraucher handelt.
Es ergibt sich somit aus den zentralen Kündigungsbestimmungen des VersVG – § 8 Abs 2 und 3 – ein Leitbild, dass ein Versicherungsvertrag spätestens zum Ende des dritten Versicherungsjahres gekündigt werden können soll. Dieses Dreijahresmodell entspricht auch der für Versicherer einschlägigen Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Kommission (VO 358/2003).
Der Oberste Gerichtshof hält in seinem Urteil fest, dass Unternehmensverträge mit einer Laufzeit von mehr als 3 Jahren grundsätzlich möglich sind. Wird dem Versicherungsnehmer jedoch im Zusammenhang mit derartigen Verträgen keine Kündigungsmöglichkeit ohne Angabe von Gründen ( = ordentliche Kündigung in Abgrenzung von Kündigungsmöglichkeiten, die eines außerordentlichen Grundes bedürfen, wie beispielsweise das paritätische Kündigungsrecht) eingeräumt, so sind derartige Polizzen hinsichtlich der die drei Jahre übersteigenden Bindefrist im Sinne der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB als nichtig zu qualifizieren. Es sei denn, die längere Laufzeit wurde im Einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt. Den Gegenbeweis müsste im Streitfall jedoch der Versicherungsnehmer erbringen.
Eine gegenteilige Auffassung steht in einem groben Widerspruch zum maßgeblichen Parteiwillen, wie folgendes Beispiel zeigen soll:
Unternehmer A schließt einen unbefristeten Vertrag ab, Unternehmer B entscheidet sich für eine Laufzeitbefristung von 5 Jahren. Ersterer kann spätestens zum Ende des dritten Versicherungsjahres unter Anwendung des § 8 Abs 2 VersVG kündigen, während Letzterem über die gesamten Vertragslaufzeit keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit – ohne Angabe von Gründen – zusteht.
Obwohl Unternehmer A prinzipiell mit dem Abschluss eine unbefristeten Versicherungsvertrages einen längeren Bindungswillen als Unternehmer B hegt, ist er de facto kürzer – nämlich nur (mindestens) drei Jahre – gebunden.
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Foto oben: Mag. Alexander Meixner, Vize-Präsident des ÖVM und gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Versicherungswesen (Foto)
Titelbild: ©Tiko – stock.adobe.com
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