Minderjährige Kinder sind ab Vollendung des 14. Lebensjahres deliktsfähig und schadenersatzpflichtig. Für jüngere Kinder haften die Eltern nicht automatisch, sondern nur dann, wenn eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorzuwerfen ist.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 24.06.2022
Von Mag. Alexander Meixner, ÖVM Vizepräsident
Grundlagen
Eine rechtswidrige Schadenverursachung führt nur dann zur Haftung, wenn sie auch subjektiv vorwerfbar ist. Das ist dann der Fall, wenn man vom konkreten Schädiger erwarten konnte, dass er sich rechtmäßig verhält. Es bedarf bestimmter geistiger Fähigkeiten, um „richtig“ von „falsch“ unterscheiden zu können. Demnach ist eine Person als deliktunfähig einzustufen, wenn ihr eine eigene rechtswidrige Tat aufgrund ihrer geistigen Fähigkeiten nicht vorgeworfen werden kann, was in weiterer Folge die Haftung für den entstandenen Schaden ausschließt.
Haftung bei fehlender Deliktfähigkeit
Hat ein Deliktsunfähiger einen Schaden zugefügt, heißt das noch nicht zwingend, dass der Geschädigte „leer“ ausgeht. Unter bestimmten Umständen haften nämlich die Aufsichtspersonen oder es kommt die Billigungshaftung zur Anwendung.
ad Aufsichtspflicht
Aufsichtspflicht besteht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit, also bis zum 18. Lebensjahr. Aufsichtspflichtige haben dafür zu sorgen, dass die ihrer Aufsicht unterstehenden Kinder selbst nicht zu Schaden kommen und auch keinen anderen Personen Schaden zufügen. Eine derartige Pflicht kann sich ergeben
- aus dem Gesetz (z. B.: Eltern, Lehrkräfte während der Schulzeit),
- aus einem Vertragsverhältnis (z. B.: Hort, Babysitter),
- aus freiwilliger Gefahrenübernahme (z. B.: freiwillige Übernahme der Aufsichtspflicht für ein fremdes Kind am Spielplatz).
Strikte Regeln zur Aufsichtspflicht gibt es nicht. Der Umfang richtet sich danach, was angesichts des Alters, der Eigenschaften und der Entwicklung des Kindes vernünftigerweise von diesem verlangt werden kann.
Aufsichtspersonen haften aber nur dann für den entstandenen Schaden, wenn ihnen eine Aufsichtspflichtverletzung im Sinne des § 1309 ABGB vorwerfbar ist.
ad Billigkeitshaftung
Erlangt der Geschädigte wegen Verletzung der Aufsichtspflicht oder Vermögenslosigkeit der Aufsichtsperson keinen Ersatz, kann subsidiär ausnahmsweise der (an sich deliktsunfähige!) Schädiger selbst haftbar werden. § 1310 ABGB normiert diese Form der Haftung,
- wenn der Schädiger im Einzelfall doch die Fähigkeit hatte, das Unrecht seiner Tat einzusehen und/oder (ein 13-jähriger wird eher als ein 7-jähriger erkennen können, dass es nicht erlaubt ist, eine Fensterscheibe mit einem Wurfgeschoss zu zerstören).
- wenn der Schädiger über ein Vermögen verfügt (eine zu Gunsten des Unmündigen bestehende Haftpflichtversicherung gilt im Sinne der Judikatur als Vermögen).
Privathaftpflichtversicherung als Vermögen
§ 1310 ABGB überlässt es dem Ermessen der Gerichte, ob eine Billigkeitshaftung gegeben ist oder nicht. Wird eine solche bejaht, dann muss der Unmündige Schadenersatz leisten. Dieser Ersatz kann den gesamten Schadenbetrag oder nur einen Teil desselben ausmachen. Eine zugunsten des Unmündigen bestehende Haftpflichtversicherung wird dabei nach aktueller Rechtsprechung als Vermögen angesehen, was die Chancen des Geschädigten auf Zuspruch eines Schadenersatzes gegenüber dem (an sich deliktsunfähigen!) Minderjährigen stark steigen lässt. In der Praxis führt dieser Umstand dazu, dass Haftpflichtversicherer bei Schäden mitversicherter Unmündiger regulierend einspringen und den Schaden übernehmen.
Quellen: Bürgerliches Recht; Perner/Spitzer/Kodek; Manz Verlag www.oesterreich.gv.at
Foto oben: Alexander Meixner, ÖVM Vizepräsident
Titelbild: ©wetzkaz – stock.adobe.com
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