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Zur Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung

(Bild: ©m.mphoto - stock.adobe.com)

Zur Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung

09. Mai 2023

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4 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Eine Versicherungsnehmerin fuhr bei dem Versuch einem Reh auszuweichen gegen eine Leitplanke. Den Unfall meldete sie nicht bei der Polizei. Das Versicherungsunternehmen lehnte unter anderem aufgrund der unterlassenen Unfallmeldung eine Leistung aus dem Kaskoversicherungsvertrag ab. ( 7 Ob 39/23w )

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Was ist passiert?

Die Versicherungsnehmerin einer Kaskoversicherung war alleinige Beteiligte eines Verkehrsunfalls, bei dem sie ihr Fahrzeug zweimal gegen die Leitplanke fuhr. Beim ersten Mal lenkte die Versicherungsnehmerin aufgrund eines auf die Fahrbahn springenden Rehs aus und streifte deshalb leicht die Leitplanke. Bei dem folgenden Wendemanöver der Versicherungsnehmerin unterlief dieser ein Fahrfehler, sodass die Versicherungsnehmerin ein weiteres Mal die Leitplanke touchierte. Die nächste Polizeidienststelle wurde von der Versicherungsnehmerin nach dem Unfallereignis nicht informiert. Die Versicherungsnehmerin fertigte jedoch am nächsten Tag Fotos von der Unfallstelle an und verständigte ihren Versicherungsvertreter. Das Versicherungsunternehmen lehnte eine Leistung aus dem Kaskoversicherungsvertrag im vorliegenden Fall ab und wendete eine Obliegenheitsverletzung ein, da die Versicherungsnehmerin aufgrund der unterlassenen Unfallmeldung nicht nach Möglichkeit an der Feststellung des Sachverhalts beigetragen habe und den Unfall zudem grob fahrlässig verursacht habe.

Wie ist die Rechtslage?

Der Oberste Gerichtshof (OGH) war in diesem Fall zu 7 Ob 39/23w mit der Frage befasst, unter welchen Umständen eine Aufklärungspflichtverletzung vorliegt und wer dafür beweispflichtig ist, insbesondere da der Versicherungsnehmerin auch Alkoholisierung bzw. Übermüdung vorgeworfen wurde.

Gemäß § 4 Abs 5 StVO ist ein Unfall mit Sachschaden grundsätzlich der nächsten Polizeidienststelle zu melden. Der OGH schloss sich im vorliegenden Fall jedoch seiner bisherigen Rechtsprechung an, nach der eine Übertretung dieser Bestimmung alleine nicht hinreicht, um von einer Aufklärungspflichtverletzung auszugehen. Vielmehr sei es notwendig, dass ein konkreter Verdacht in eine bestimmte Richtung durch Unbenützbarwerden eines Beweismittels aufgrund der unterlassenen Unfallmeldung nicht mehr ausgeschlossen werden könne.

Die Verdachtslage sei dabei vom Versicherer zu beweisen, sodass es nicht an der Versicherungsnehmerin liege, einen ihr vorgeworfenen Verdacht der Beeinträchtigung zu widerlegen. Da nach Ansicht des OGH die unterlassene Unfallmeldung alleine keine Verdachtslage für eine Alkoholisierung oder eine Übermüdung schaffe, und der zweite Unfall nach den Feststellungen auf den Schock der Versicherungsnehmerin zurückzuführen sei, habe das Versicherungsunternehmen im vorliegenden Fall nach Ansicht des OGH keine konkrete Verdachtslage einer Alkoholisierung oder Übermüdung nachweisen können. Folglich könne auch nicht von einer Verletzung der Aufklärungspflicht ausgegangen werden. Auch der Umstand, dass eine Meldung an den Versicherungsvertreter erst am nächsten Tag erfolgte, begründe keine Verdachtslage. Dementsprechend kam der OGH zum Ergebnis, dass das Versicherungsunternehmens zur Leistung verpflichtet ist.

Schlussfolgerung

Allein die unterlassene Unfallmeldung des Versicherungsnehmers genügt nicht, um einen konkreten Verdacht einer Beeinträchtigung des Versicherungsnehmers zu begründen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen, die jedoch vom Versicherer zu beweisen sind. Erst wenn ein solcher Verdacht bewiesen werden kann, kann von einer Aufsichtspflichtverletzung ausgegangen werden.

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