Wie kann Digitalisierung eine positive Ergänzung zum klassischen Vertrieb sein? Wie können Versicherer das Kundenerlebnis verbessern? Und wo steht der Makler in Zukunft? Zu diesen Fragen diskutierte am AssCompact Trendtag eine hochkarätige Runde rund um den Digitalisierungsexperten Dr. Thomas Funke.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 25.10.2018
Bei der Digitalisierung sei die Finanzbranche „sicher eher träge unterwegs“, so Dir. Ing. Thomas Lackner (HDI). Kosten und Aufwand für Geschäfte seien jedoch stark gestiegen, weshalb Prozesse vereinfacht werden müssen. „Wer die Abwicklung seiner Geschäfte im Griff hat, wird die Nase vorne haben.“ Ob der klassische Vertrieb bedroht ist? „So viel Negatives man über die regulatorischen Vorgaben sagen kann, sie haben auch einen Vorteil: Sie schützen den Markt. Die großen Player wie Google und Amazon wissen, was sie vorweisen müssten, um am Markt aufzutreten.“
Der Branche fehlen standardisierte Prozesse
Die Marktteilnehmer hätten über Jahre hinweg versucht, sich voneinander abzugrenzen, so Dipl. VW Sven Rabe (VAV). Das Resultat waren immer komplexere Produkte und fehlende standardisierte Prozesse. „Das bringt auch desaströse Kundenerlebnisse, weil Kunden bei Amazon und anderen Tech-Unternehmen perfekte Erlebnisse haben und uns mit ihnen vergleichen.“ Er appelliert daran, möglichst rasch an durchgängigen Prozesse zu arbeiten. „Die Technik dazu haben wir ja – wir leben nicht auf dem Mond. Wir könnten die Polizze in der Sekunde des Antrags sofort zurückschicken – machen wir aber nicht, weil die Standardisierung fehlt.“ Immerhin sei man schon auf einem guten Weg, wie man an Initiativen wie BiPRO oder OMDS sehen könne.
„Makler Experience“ entscheidend
In einem Spannungsfeld zwischen von Konsumenten geforderter Individualisierung, notwendiger Produktvereinfachung und rechtlichen Anforderungen sieht Walter Lentsch (Chubb Europe) die Branche. Der Markt der FinTechs sei erst in den Startlöchern. „In der Industrieversicherung werden Internet und Maschine Learning zu einer individuellen Risikoselektion, Vertragsgestaltung und Prämienfindung führen. Auf der anderen Seite wird Beratung durch den Makler weiterhin einen hohen Stellenwert haben.“ Ähnlich wie die InsurTechs sollten Versicherer einen Fokus auf die „Costumer Experience“, vor allem aber auch auf die „Broker oder Makler Experience“ legen. „Wir müssen den Maklern ein Kundenerlebnis bieten können und sie wiederum ihren Kunden.“
Weg von „alten Strukturen und hierarchischem Denken“
Versicherer müssen von der Kundenperspektive aus denken und eine entsprechende Innovationskultur entwickeln, betonte Birgit Eder (ARAG). „Gerade in der Versicherungsbranche herrschen oft noch alte Strukturen und hierarchisches Denken. Das muss man alles infrage stellen, denn Digitalisierung sollte von der Basis aus passieren.“
Doch wie genau lässt sich dieser Kundenfokus umsetzen? „Man muss schon sehr genau hinhören, was der Kunde will“, so Eder, aber sich auch dessen bewusst sein: „Was er sagt, ist nicht immer das, was er eigentlich möchte.“ Hätte man vor Erfindung des Autos Kunden gefragt, was sie möchten, hätten sie womöglich „schnellere Pferde“ gesagt. Das Auto habe aber genau den Bedarf getroffen.
„Versichern ist ein emotionales Thema“
Die Bedürfnisse der Kunden werden sich nicht ändern, zeigte sich Mag. Erwin Mollnhuber (NÜRNBERGER) überzeugt, sehr wohl aber „die Wege dorthin“. „Online-Beratungstools, Lückenrechner, die über den elektronischen Antrag zu einer Polizze führen, sollen letztlich auf allen Seiten Zeit und Geld sparen.“ Der Versicherungsmarkt bleibe aber auf absehbare Zeit ein verkäuferorientierter. „Dazwischen wird ein Makler stehen, der den Kunden gut beraten muss.“
Versichern sei generell ein Thema, das den Kunden nicht so sehr interessiere. „Da gibt es viele Bedürfnisse, die man erst wecken muss“, so Mollnhuber. „Wenn mich eine App als Endkunde darauf aufmerksam macht, dass ich für meinen Pensionsantritt heute eine Versicherung abschließen sollte, dann muss ich meine finanzielle Lage offenlegen und persönliche Dinge preisgeben. Da tue ich mir einem Menschen gegenüber leichter als einem Computer.“ Noch dazu sei Versichern „ein sehr emotionales Thema. Und ich persönlich kann mit einem Computer keine Emotion aufbauen.“
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