Eine Frau verursachte mit mindestens 1,03 Promille einen Autounfall. Nachdem der Unfallversicherer nicht zahlen wollte, zog sie durch die Instanzen.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 27.11.2019
Die Klägerin durchfuhr eine Linkskurve mit einer Geschwindigkeit von 96 Stundenkilometern. Daraufhin lenkte sie zu spät in die Rechtskurve, bemerkte Gegenverkehr und leitete eine Vollbremsung ein. Dadurch gelangte sie auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit dem entgegenkommenden Fahrzeug. Die Frau wies zum Unfallzeitpunkt eine (Rest-)Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,03 Promille (höchstens 1,24 Promille) auf.
Weil der Unfallversicherer nicht zahlen wollte, klagte die Frau auf 220.000 Euro Schadenersatz. Nach Ansicht der Vorinstanzen war die durch Alkohol beeinträchtigte Leistungsfähigkeit der Klägerin Ursache für den Unfall, womit der Alkohol-Ausschluss in den Bedingungen zur Anwendung komme. Demnach sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Unfälle, „die die versicherte Person infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol, Suchtgifte oder Medikamente erleidet“.
„Wesentliche Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit“
Der OGH (7Ob168/19k) schloss sich dieser Entscheidung an. Der Grenzwert des Alkoholisierungsgrads, ab dem der Ausschlusstatbestand der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit erfüllt ist, hänge davon ab, ob die vom alkoholisierten Versicherten ausgeübte Tätigkeit besondere Anforderungen an die Aufnahmefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit stelle. Die Grenzwerte der Alkoholisierung werden dementsprechend verschieden sein, je nachdem, ob der Versicherte etwa Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger ist. Wenn der Blutalkohol allein – wie hier – für die Annahme des Ausschlussgrundes noch nicht ausreicht, sei der Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung der psychischen Leistungsfähigkeit danach zu bemessen, ob der Versicherte noch in der Lage ist, mit der jeweiligen Situation, in der er sich zur Zeit des Unfalls befindet, einigermaßen zurechtzukommen.
Fahrfehler durch Alkoholkonzentration
Bei einer Restalkoholkonzentration von mindestens 1,03 Promille können insbesondere bei komplexen Tätigkeiten wie dem Führen eines Kraftfahrzeugs Koordinations- und Konzentrationsschwächen auftreten. „Restalkohol“-Konstellationen können selbst bei geringen Blutalkoholkonzentrationen zu deutlichen Fahrunsicherheiten führen. Ein alkoholtypischer Fahrfehler sei unter anderem das Nichtbewältigen von Kurven. Dass daraus nicht nur die (Mit-)Ursächlichkeit der durch Alkohol beeinträchtigten Leistungsfähigkeit der Klägerin am Unfall folgt, sondern damit auch der – vom Versicherer zu beweisende – Ausschlussgrund verwirklicht wurde, halte sich im Rahmen der Rechtsprechung.
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