Selbstständig oder angestellt? Diese Abgrenzung ist gerade im Strukturvertrieb nicht einfach – aber von großer Bedeutung, wenn man mit seinen Provisionen nicht einverstanden ist. Der Jurist und Schadenexperte Dr. Wolfgang Reisinger kommentiert einen Fall.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 02.06.2016
Der Agent hat ausschließlich für die O-GmbH Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vermittelt und dafür Provisionen erhalten. Sein Büro, in dem er regelmäßig 40 bis 50 Wochenstunden verbrachte, hatte ihm die GmbH bereitgestellt. Nach der vertraglichen Vereinbarung ist er aber selbstständiger Gewerbetreibender und hat damit sämtliche ihn betreffende Steuern, öffentliche Abgaben und Gebühren aus seiner Tätigkeit selbst zu tragen.
Nun forderte der Vermittler die Auszahlung von Leistungsvergütungen, die das Unternehmen vermeintlich zu Unrecht rückverrechnet hatte – und wandte sich dazu an seinen Rechtsschutzversicherer. Dieser lehnte die Deckung jedoch ab: Das Handelsvertreterrecht falle nicht in den Versicherungsschutz. Die Deckungsklage des Versicherungsnehmers blieb erfolglos.
Handelsvertreterrecht ausgeschlossen
Die AVB schließen den Bereich des Handelsvertreterrechts generell aus – egal, ob der Versicherte als selbstständiger oder arbeitnehmerähnlicher freier Handelsvertreter zu qualifizieren ist. „Der Kläger war nach der Vertragsgestaltung Teil eines Strukturvertriebes und konnte bei der GmbH selbstständig Termine mit Kunden und Mitarbeitern vereinbaren, während die Einhaltung bestimmter Bürozeiten nur in sehr eingeschränktem Umfang vorgesehen war“, so Reisinger. Jedenfalls falle seine Tätigkeit unter § 1 Abs 1 Handelsvertretergesetz. Dass er gegenüber der GmbH gerade für den Handelsvertreterbereich typische Provisionsansprüche verfolge, unterliege dem Risikoausschluss der AVB.
Arbeitnehmerähnlich oder nicht?
„Während das Erstgericht noch der Ansicht war, der Risikoausschluss sei unklar formuliert, hatten das Berufungsgericht und der OGH damit keine Probleme“, stellt Reisinger fest. Der Zweck des Risikoausschlusses liege laut dem Berufungsgericht darin, die häufig sehr hohen und damit kaum kalkulierbaren Kosten derartiger Verfahren auszuschließen – egal ob diejenige Person eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausführe oder nicht.
Der Rechtsschutzversicherer hat nämlich zudem argumentiert, dass der beabsichtige Prozess dem allgemeinen Vertragsrechtsschutz im Betriebsbereich zuzuordnen sei – dieser wurde zwischen den Parteien aber nicht vereinbart. „Der Versicherungsschutz als ‚Arbeitnehmer im Sinne des § 51 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen‘, erstreckt sich jedoch auch auf arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des ASGG“, so Reisinger abschließend.
Den gesamten Artikel von Dr. Wolfgang Reisinger lesen Sie in der AssCompact Juni-Ausgabe.
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