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Beratungsfehler bei Betriebsunterbrechungsversicherung: Wer haftet?

Beratungsfehler bei Betriebsunterbrechungsversicherung: Wer haftet?

10. Dezember 2020

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News-Management & Wissen

Mit der Sendung „Bürgeranwalt“ schuf Dr. Peter Resetarits eine Plattform für Volksanwälte, aber auch für sonstige Rechtssuchende. So ging es in der Sendung vor einiger Zeit um das Thema „Betriebsunterbrechungsversicherung“.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 10.12.2020

Von Reinhard Jesenitschnig (Foto), C:M:S Maklerservice GmbH

Der Zuseher hörte, dass der Beschwerdeführer, ein Ein-Personen-Unternehmer, lange Zeit eine Betriebsunterbrechungsverssicherung hatte, die Ende Februar auslief. Um eine Fortsetzung bemüht, wandte er sich an einen Versicherungsvermittler, der als Mehrfachagent arbeitet. Es kam zum nahtlosen Abschluss eines Vertrages bei der Allianz. Kurz danach trat der Versicherungsfall in Form einer Erkrankung auf, wodurch der Versicherte auf Monate hinaus arbeitsunfähig war. Nunmehr stellte sich heraus, dass der Vertrag eine dreimonatige Wartefrist enthielt und Versicherungsfälle aufgrund von Krankheiten, die in dieser Zeit auftreten, nicht gedeckt sind. Dies sei dem Beschwerdeführer vom Agenten nicht mitgeteilt worden. Im Wissen einer Wartefrist hätte er sich anders entschieden.

Dieses Szenario legte Dr. Resetarits dar und gab den Ring frei für die Beteiligten, wobei der Versicherungsmakler wohl als unabhängiger Fachmann für die Beurteilung der Sachlage anwesend war. Die betroffene Versicherung hatte eine ausführliche schriftliche Stellungnahme abgegeben, die von Dr. Resetarits vorgelesen wurde. Sie wies jegliches Verschulden von sich und vertrat den Standpunkt, dass Wartefristen durchaus üblich seien, man damit also rechnen müsse.

Unterschied Mehrfachagent vs. unabhängiger Vermittler?

Der Versicherungsmakler, angesprochen auf diese Problematik, vermeldete, dass Wartefristen „nicht gängige Praxis“ seien und er im Antrag „von einer Wartefrist grundsätzlich nichts entdeckt“ habe. Seine Erkundigungen bei Versicherungen hätten ergeben, dass es bei einigen überhaupt keine Wartezeit gebe, bei anderen nur bei psychischen Erkrankungen, der Agent habe das falsche Produkt gewählt. Und zur Frage von Dr. Resetarits, ob ein Mehrfachagent so etwas wie ein Versicherungsmakler sei, hörte der kundige Zuseher, dass ein Mehrfachagent „ein Unikat in Österreich“ sei, wobei die Rechtslage „völlig unklar“ sei und nach seiner Meinung die Versicherung für den möglichen Beratungsfehler des Agenten haften müsste.

Die Anwältin beklagte, dass „die Verantwortlichkeit zwischen den Beteiligten hin- und hergeschoben“ werde und dass sie den Standpunkt vertrete, dass „der Agent selbst unter Umständen auch persönlich haftbar“ sei. Das Wort „Wartefrist“ scheine zwar irgendwo auf, werde aber nicht erklärt.

Nähere Betrachtung der Problemkreise

Mehrfachagenten sind in der Tat österreichische „Unikate“. Ihr rechtlicher Rahmen ist aber völlig klar, sie sind Beauftragte von Versicherungen und arbeiten nicht im Auftrag der Versicherungskunden. Insofern sind sie Erfüllungsgehilfen des jeweiligen Versicherers und ihr Verschulden ist diesem zuzurechnen (§ 1313a ABGB). Ein persönliches Verschulden wird dadurch aber nicht aufgehoben, der Geschädigte kann sich an den Einen oder an den Anderen wenden. Jene Mehrfachagenten, die nicht nur die Produkte einer Versicherung vertreiben, sondern konkurrierende Produkte von verschiedenen Versicherern, sind differenzierter zu betrachten. Ihre Tätigkeit kommt – jedenfalls aus der Sicht des Versicherungskunden – jener des Versicherungsmaklers nahe. Um das richtige Produkt auszuwählen, muss der Agent eine Bedürfnisanalyse vornehmen und die Wünsche des Kunden einbeziehen. Die Versicherer haben keinen Einfluss darauf, welches Produkt der Agent daraus folgend empfiehlt. Es ist daher mehr als fraglich, ob die ausgewählte Versicherung für eine Fehlberatung des Agenten haftet. Der Gesetzgeber schreibt daher vorsorglich auch für Versicherungsagenten zwingend eine Haftungsabsicherung vor.

Bei Wechsel der Versicherung eine generelle Wartezeit zu vereinbaren, widerspricht den Bedürfnissen des Kunden und ist zu vermeiden. Möglicherweise hat der Agent das Produkt der Allianz, immerhin seit 2014 am Markt, nicht ausreichend gekannt, d. h. nicht gewusst, dass in den Versicherungsbedingungen eine (dort ausführlich beschriebene) dreimonatige Wartefrist gilt. Tatsächlich hätte der sachverständige (im Sinne des § 1299 ABGB) Agent zumindest die wichtigen Eckpunkte der Bedingungen, wie Deckungsumfang, Obliegenheiten, Ausschlüsse und eben Wartefristen, prüfen und den Kunden darüber beraten müssen.

Dass die Wartefrist in den Bedingungen der Allianz, die nicht als BUFT sondern als Arbeitsunfähigkeitsversicherung firmiert, in Vermittlerkreisen weithin unbekannt ist, zeigen meine empirischen Erhebungen. Sie wurden durch die Stellungnahme des Versicherungsmaklers in der Sendung Bürgeranwalt unterstrichen.

Versicherungsbedingungen sind fixer Bestandteil der Tätigkeit von Versicherungsvermittlern. Wir sollten uns daher darauf besinnen, einen Teil der vielen Seminare in Corona-Zeiten, den vielleicht lästigen, aber wichtigen Details zu widmen.

Den gesamten Bericht lesen Sie in der AssCompact Dezember-Ausgabe!

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