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Creditreform: Firmeninsolvenzen haben sich mehr als verdoppelt

Creditreform: Firmeninsolvenzen haben sich mehr als verdoppelt

13. Mai 2022

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8 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen der aktuellen Insolvenzentwicklung in Österreich für das 1. Quartal 2022 erhoben: Insgesamt gab es in Österreich 3.356 Firmen- und Privatinsolvenzen (+40,5%). Für das Gesamtjahr 2022 ist mit einer Rückkehr zum Vorpandemie-Niveau zu rechnen. 1,25% der heimischen Unternehmen würden dann insolvent werden.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 13.05.2022

Firmeninsolvenzstatistik 1. Quartal 2022: 6 Insolvenzverfahren pro Werktag

Sind die Firmeninsolvenzen seit Beginn der Pandemie auf den niedrigsten Stand seit 1990 gesunken, hat sich die im Herbst 2021 eingesetzte Trendwende im 1. Quartal 2022 weiter verstärkt. Die Firmeninsolvenzen sind um 111% auf 1.055 Verfahren angestiegen und erreichen damit fast das Vorkrisen-Niveau. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 89,8% auf 611 gestiegen. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich gar um 150% auf 444 erhöht – ein Alarmzeichen für alle Gläubiger.

Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform, sieht als Hauptursache dafür das Auslaufen der staatlichen Hilfen. Ebenso sind die öffentlichen Gläubiger (Finanz, GKK) wieder im Normalbetrieb und stellen vermehrt Insolvenzanträge. Bei vielen Unternehmern ist der Umsatz nach den zahlreichen Lockdowns und Corona-Maßnahmen nicht in dem erwarteten Umfang zurückgekommen, sodass sie Probleme bei der Bedienung von Ratenvereinbarungen haben. Auch zerrt das ständige Auf und Zu an den unternehmerischen Nerven und zwingt zum Aufgeben. Die überwiegende Anzahl an Insolvenzen hat Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 205 Mio. Euro. 3.000 Arbeitsplätze waren betroffen.

Bundesländervergleich

Den stärksten Zuwachs verzeichneten Tirol (+309,5%), Niederösterreich (+196,1%) und Vorarlberg (+181,8%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit knapp 4 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als 2 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten 3 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.

Branchenvergleich: Starke Zuwächse im Transportwesen

Am stärksten stiegen die Insolvenzen im Transportwesen („Verkehr- und Nachrichtenübermittlung“) mit einem Plus von 156,5%, gefolgt vom Tourismus mit Plus 132%. Die meisten Insolvenzanträge verzeichneten das Bauwesen (192), der Handel (178) und die Dienstleistungen (166). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte ebenfalls im Bau mit rund 8 von 1.000 Branchenunternehmen.

Ausblick 2022

„In postnormalen Zeiten der Krisenpermanenz, in denen zahlreiche Krisen zeitgleich auf Unternehmen hereinstürmen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Insolvenzen massiv ansteigen“, fasst Gerhard Weinhofer die aktuelle Lage zusammen. Neben den nach wie vor bestehenden Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigen Klimawandel (Stichwort CO²-Steuer), Digitalisierung, Fachkräftemangel, Inflation und Lieferkettenprobleme die heimische Wirtschaft. Vom Ukraine-Krieg und einem vielleicht kalten Winter gar nicht zu sprechen. Dank einer weiterhin guten Eigenkapitalausstattung – mehr als 42% der Unternehmen verfügen über eine Eigenkapitalquote von über 30% – und einer starken Krisenresilienz haben zumindest die Mittel- und Großbetriebe diese Herausforderungen bislang gut gemeistert.

Kleinere Unternehmen haben nicht die Finanzkraft, die Manpower oder schlichtweg die Möglichkeit, höhere Einkaufspreise an die Kunden weiterzureichen und sind daher gezwungen Insolvenz anzumelden. Für das Gesamtjahr 2022 ist daher mit einer Rückkehr auf das Vorpandemie-Niveau von rund 5.000 Firmeninsolvenzen zu rechnen. Das entspricht bei rund 400.000 heimischen Unternehmen einer Insolvenzquote von 1,25% und das kann eine starke Marktwirtschaft wie Österreich aushalten.

Privatinsolvenzen: Plus von 22%

Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen steigt um rund 22% auf 2.301 Verfahren weiter an und bewegt sich in Richtung Vor-Pandemie-Niveau. Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist dabei um 19,4% auf rund 2.100, die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen um 57,8% auf 183 Verfahren angestiegen.

„Die im Juli 2021 beschlossenen Reformen im Insolvenz- und Exekutionsrecht haben zu einer Trendumkehr geführt. Die schnelleren Entschuldungsmöglichkeiten finden immer größere Akzeptanz“, so Gerhard M. Weinhofer.

Allgemein liegen die Insolvenzursachen in einem Zusammentreffen vieler Faktoren, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut haben: im Verlust des Arbeitsplatzes, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie generell im zu sorglosen Umgang mit Geld. Auslöser sind dann oftmals zusätzliche Faktoren wie Krankheit und Scheidung. Gut ein Drittel der Schuldner sind gescheiterte Selbständige. Die Durchschnittsverschulden liegt bei rund 60.000 Euro.

Bundesländervergleich Privatinsolvenzen: Mehr als 3 von 10.000 Erwachsene sind insolvent

Der Bundesländer-Vergleich zeigt den stärksten Zuwachs in Tirol (+103,9%), gefolgt von Niederösterreich (+48,2%) und der Steiermark (+31,8%). Sinkende Insolvenzen verzeichneten Vorarlberg (-5,4%), Salzburg (-4,8%) und Kärnten (-4,7%).

Mehr als ein Drittel aller Privatinsolvenzen ereigneten sich in der Bundeshauptstadt, die traditionell sowohl Spitzenreiter bei der absoluten Zahl an Insolvenzen (809 Fälle) als auch bei der relativen Insolvenzbetroffenheit ist: 6 von 10.000 erwachsene Wiener mussten Insolvenz anmelden. Damit ist ein Bewohner Wiens doppelt so stark insolvenzgefährdet wie der Durchschnittsösterreicher, denn Österreichweit waren lediglich etwas mehr als 3 von 10.000 Erwachsene zahlungsunfähig.

Wohnen, Treibstoff und Energie führt zu einem weiteren Anstieg der Privatinsolvenzen

Beginnend mit der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 bis zum Spätsommer 2021 ging die Zahl der Privatinsolvenzen stark zurück und erreichte den Tiefststand seit 14 Jahren. Stundungen, Kurzarbeit und eine sich 2021 rasant erholende Wirtschaft sorgten für Entspannung am Arbeitsmarkt. Die angestiegene Sparquote ließ die Finanzreserven der Österreicher anwachsen. Ab dem Sommer 2021 hat sich der Trend geändert. Die Zahl der eröffneten Privatinsolvenzen hat schon fast das Vorkrisenniveau erreicht. Dank der Erleichterungen in der Restschuldbefreiung im Zuge der letzten Reform des Insolvenzrechts stellen wieder mehr Personen einen Insolvenzantrag und nutzen die schnellere Entschuldung. Anstatt von fünf Jahren kann man sich seiner Schulden nun in drei Jahren, und ohne eine Mindestquote an die Gläubiger bezahlen zu müssen, entledigen.

Für das Gesamtjahr 2022 rechnet Gerhard Weinhofer mit einem Anstieg auf über 9.000 Insolvenzen: „Die Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen – vor allem beim Wohnen, bei Treibstoffen und Energie – wird zu einem Anstieg der Privatinsolvenzen führen. Unabhängig davon bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der weitere Verlauf des Ukraine-Kriegs auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung sowie die Digitalisierung und Klimawende auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Insolvenzen haben werden.“ Steigende Zahlen bei den Privatinsolvenzen werden aber wieder zum Normalfall werden.

Foto oben: Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform
Titelbild: © lev dolgachov – stock.adobe.com

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