Jeder, der mit der Schadenabwicklung im Versicherungsfall befasst ist, hat sie schon erlebt, ja hat sie schon gespürt, die Macht - in Wahrheit eine gefühlte Übermacht des Versicherers. Ganz egal, ob es sich dabei um einen simplen Kfz-Schaden, insbesondere im Bereich der Totalschadenabrechnung, einen Sachschaden oder den Leistungsfall aus der Unfallversicherung handelt.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 21.10.2022
Der Schadenreferent kann auf eine ganze Reihe von Sachverständigen, Experten, Fachanwälten und andere Institutionen zugreifen, um einen Schaden abzulehnen oder zumindest die Versicherungsleistung im Sinne der Versichertengemeinschaft gering zu halten.
Wer kennt das nicht, dass bei einer Kfz-Kaskoabrechnung das Gutachten des Sachverständigen der Versicherung die Reparaturkosten gerade so hoch über den Wiederbeschaffungswert ausweist, dass es am Ende zu einer Totalschadenabrechnung kommt, die -nicht überraschend -doch etwas günstiger für den Versicherer ausfällt. Hier hilft nur die Eigenrecherche in der Gebrauchtwagenbörse oder ein Privatgutachten, das man in der Regel auf eigene Kosten erstellen lassen muss; erst dann kann man mit Aussicht auf Erfolg dagegen ankämpfen. Geht es im Kfz-Bereich in der Regel um geringere Summen-aber auch Kleinvieh macht Mist-befinden wir uns im Bereich der Sachversicherung in einer ganz anderen Dimension. Denken Sie z.B. an einen Schneedruckschaden-aufgrund der starken Schneefälle im Winter 2021/2022 in Südösterreich immer wieder ein Thema-und im Zuge der Schadenabwicklung und Begutachtung durch den Sachverständigen des Versicherers erklärt der Versicherer plötzlich, es handle sich nicht um einen Schneedruckschaden, sondern um einen Baumangel, weshalb der Versicherer leistungsfrei sei. Hier geht es dann meistens doch schon um mehr als den Wert eines Kleinwagens, sodass es sich durchaus auszahlt, auch hier ein Privatgutachten einzuholen, um seine Versicherungsleistung zu erhalten. Argumente ohne sachverständige Tiefe werden nicht greifen. Häufig weigert sich der Versicherer auch, das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten herauszugeben. Für medizinische Gutachten ist dies mit § 11 c VersVG klar geregelt, für nicht-medizinische Gutachten ist die Sache nicht ganz so klar. Meines Erachtens kann man nicht- medizinische Gutachten aber sehr wohl in einem Zivilprozess als gemeinschaftliche Urkunde herausverlangen, aber eben erst in einem Zivilprozess. Vor dem Gerichtsverfahren bedarf es dafür geschickten Verhandelns.
Natürlich kann man auch den steinigen Weg gehen, indem man den Versicherer mit einer Deckungsklage belangt und im Rahmen des Gerichtsverfahrens-ebenfalls durch einen Sachverständigen-feststellen lässt, ob tatsächlich ein Baumangel vorliegt oder ein von der Versicherung zu deckender Schaden. Das Risiko dieses Verfahrens ist aber ohne Rechtsschutzversicherer -in Österreich herrscht der Grundsatz „ der Verlierer zahlt“-erheblich, sodass sich der VN dies im Vorfeld genau überlegen muss. Manchmal hat der Rechtsschutzversicherer in derartigen Fällen durchaus einen pragmatischen Ansatz und es kann mit ihm vereinbart werden, dass auf Kosten des Rechtsschutzversicherers vor Einleitung des Verfahrens ein entsprechendes Gutachten eingeholt wird, um gewisse technische Fragen im Vorfeld zu klären. Der Vorteil des RS-Versicherers dabei ist, dass er sich nicht dem Prozesskostenrisiko eines Zivilprozesses aussetzt und mit relativ geringen Mitteln vorher klären kann, wie stark der Standpunkt des VN tatsächlich ist. Hier zahlt sich Fragen jedenfalls aus.
Unfallversicherung: Krasses Machtgefälle zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer
Besonders krass ist meines Erachtens das Machtgefälle zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer im Bereich der Unfallversicherung. Die Gutachtenserstellung ist hier durchaus komplex, da es dabei einen sehr weiten Ermessensspielraum des Sachverständigen gibt und ein paar Prozente in der DI auf oder ab nicht wirklich angreifbar sind. In der normalen Schadenabwicklung erhält der Versicherungsnehmer nach der Schadenmeldung vom Versicherer in der Regel einen Dreiervorschlag von Sachverständigen, die Befund und Gutachten erstellen sollen. Hier ist aber eine gewisse Skepsis angebracht, da der Versicherer in der Regel Sachverständige vorschlägt, die in permanenter Geschäftsbeziehung mit dem Versicherer stehen und die, wenn schon nicht im Vorhinein, dann doch im Zweifelsfalle wohl eher auf der Seite des Versicherers stehen, der das Honorar auch zahlt. Man ist natürlich nicht verpflichtet, einen Sachverständigen aus dem Dreiervorschlag zu akzeptieren und sollte sich hier durchaus auch auf die Füße stellen und einen anderen Sachverständigen ins Spiel bringen.
Mittlerweile gibt es aber schon eine Reihe von RS-Versicherern, die diese Lücke erkannt haben und einen Gutachten-RS anbieten; dieses Angebot sollte man tunlichst annehmen, um im Schadenfall ein Kräftegleichgewicht herzustellen.
Dr. Walter Niederbichler beim AssCompact Schadensymposium
Das AssCompact Schadensymposium am Donnerstag, 24. November 2022 bietet eine hervorragende Gelegenheit, sich über das Korsett der rechtlich geforderten Unterstützung im Versicherungsfall zu informieren. Rechtsanwalt Dr. Walter Niederbichler zeigt in seinem Vortrag „Die Macht der Versicherung im Schadensfall und deren Grenzen“ auf, wie man mit einem guten Schadensmanagement das Ungleichgewicht ein wenig zurecht rücken und in der Schadensabwicklung sehr erfolgreich sein kann.
Termine inkl. Anmeldemöglichkeiten im Überblick
Der Schadenfall und die Schadenregulierung ist Ausnahmezustand und Routineprozess zugleich. Genau diesem wichtigen Themenkomplex widmet sich AssCompact beim Schadensymposium.
AssCompact Schadensymposium 2022 (Präsenzveranstaltung)
Donnerstag, 24. November 2022 – Eventhotel Pyramide Wien/Vösendorf
AssCompact ONLINE Schadensymposium 2022 – via AssCompact LiveTV
Termine: 29. November, 30. November und 01. Dezember 2022 – jeweils ab 11 Uhr
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