Wie in allen Versicherungssparten verpflichtet auch im Rechtsschutz die Kenntnisnahme eines Schadens zur unverzüglichen Meldung an den Versicherer. Wie verhält es sich jedoch, wenn ein möglicher Schaden noch gar nicht bekannt ist und auch kein Eintritt zu erwarten ist?
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 03.03.2022
Von Ing. G.Mirko Ivanic, ÖVM Vorstand
Dazu folgendes Beispiel:
Ein Kunde schließt im Jahr 2012 eine Rechtsschutzversicherung ab. Im Jahr 2019 lässt dieser seinen Öltank durch ein darauf spezialisiertes Unternehmen auffüllen. Im darauffolgenden Jahr stellt der Kunde zunehmend Ölgeruch fest. Zuerst im Keller und danach zunehmend im gesamten Gebäude. Der Lieferant des Heizöls wird ebenso kontaktiert wie der Installateur, der die Heizung wartet. Bei der gemeinschaftlichen Sichtung wurde festgestellt, dass einer der Öltanks einen Haarriss aufweist, durch welchen offensichtlich Heizöl ausgetreten ist. Da der Tankraum schwer zugänglich ist, muss das gesamte Öl abgepumpt werden und sämtliche Öltanks abgebaut werden, um festzustellen, wohin und in welchem Ausmaß Erdöl ausgetreten ist. Es wurde festgestellt, dass teilweise Grundmauern und auch das Erdreich vom Erdöl verunreinigt ist – glücklicherweise jedoch nur oberflächlich.
Nachdem die Schadenursache zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, wurde von dem Gebäudeversicherer ein Gutachter beauftragt. Die Tatsache, dass der Versicherer des Gebäudes auch der Versicherer des Heizöllieferanten und dessen Fuhrpark ist, erleichterte diese Abwicklung.
Nach Vorliegen des Gutachtens wurde aus dem Gebäudevertrag die Versicherungssumme ausbezahlt und für den restlichen Anteil wollte der geschädigte Kunde die Leistung aus der Haftpflichtversicherung des Schädigers.
Die Haftpflichtversicherung verweigerte jedoch die Anerkennung des Verschuldens ihres Versicherungsnehmers. Der Grund dafür liegt im Gutachten, welches von den beiden Vertragsparteien unterschiedlich interpretiert wurde. Der geschädigte Versicherungsnehmer wollte nun Rechtshilfe zur Klärung des Verschuldens und der Haftung in Anspruch nehmen. Der Vorfall wurde sofort nach Erhalt der ablehnenden Haltung des Haftpflichtversicherers der Rechtsschutzversicherung des Geschädigten gemeldet.
Die Rechtsschutzversicherung teilte dem Versicherungsnehmer mit, dass der Fall geprüft wird. In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass der Schaden mit großer Wahrscheinlichkeit verspätet gemeldet wurde, also eine mögliche Obliegenheitsverletzung entstanden ist. Auf Nachfrage bei der Versicherung wurde mitgeteilt, dass nach Ansicht des Schadenreferenten bereits beim ersten Feststellen des Schadens der Versicherer hätte informiert werden müssen.
In diesem Zusammenhang wird auf die oberstgerichtliche Entscheidung (7 Ob 41/04m) hingewiesen:
Zwar gilt die in § 33 Abs 1 VersVG normierte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalles, auf die das Berufungsgericht hingewiesen hat, für die Rechtsschutzversicherung nur eingeschränkt, weil der Versicherungsnehmer den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall, sondern nur dann zu unterrichten hat, wenn er auf Grund eines Versicherungsfalles Versicherungsschutz „begehrt“ (7 Ob 6/97a, ZVR 1997/116 = VersE 1729 = VersR 1998, 391; vgl auch Kronsteiner, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung [ARB 88], VR 1988, 169 [174]). Für den Versicherer ist es aber, wie Kronsteiner am angegebenen Ort betont, wichtig, dass er nicht Maßnahmen und Verfahren finanzieren muss, von denen er nichts wusste – die er daher in seinen Bilanzen und Kalkulationen nicht berücksichtigen konnte – und auf die er keinen Einfluss nehmen konnte.
Diese oberstgerichtliche Entscheidung nützt wesentlich in der Argumentation im oben angeführtem Schadenfall, insbesonders der Versicherungsnehmer ja genau nach der Textierung des Urteils gehandelt hat.
Aus diesem Fall – der möglichen Nichtdeckung des Rechtsstreites auf Grund einer verspäteten Schadenmeldung – ist jedoch eine wichtige Lehre zu ziehen. Um Versicherungsnehmer bestmöglich zu unterstützen ist es daher angeraten, jeden Versicherungsfall, der den Bedarf eines Rechtsfalls in sich trägt, vorsorglich der Rechtsschutzversicherung zu melden – JEDEN!
Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact März-Ausgabe.
Foto oben: Ing. G.Mirko Ivanic, ÖVM Vorstand
Titelbild: ©Tiko – stock.adobe.com
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