Die Österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) sieht in ihrer mittelfristigen Risikoanalyse 2022 – 2026 angesichts der nach wie vor offenen Fragen zur weiteren Entwicklung der COVID-19-Pandemie die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr „mit großen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten“ behaftet. Als strategische Aufsichts- und Prüfschwerpunkte hat die FMA sechs Themenfelder festgelegt.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 16.12.2021
Auch habe die zwischenzeitige, kräftige wirtschaftliche Erholung über die Sommermonate gravierende wirtschaftliche Verwerfungen wie brüchige Lieferketten, Material-Engpässe etwa bei Computerchips und Baumaterial, sprunghaft ansteigende Rohstoff- und Energiepreise sowie einen signifikanten Inflationsschub mit sich gebracht, die ebenfalls Anlass zur Sorge seien. „Wir sind bei der Bewältigung der COVID-Krise noch nicht über dem Berg. Es liegt noch ein harter und steiniger Weg vor uns,“ so der FMA-Vorstand, Helmut Ettl und Eduard Müller, bei der Präsentation der Aufsichts- und Prüfschwerpunkte 2022 sowie der Publikation „Fakten, Trends und Strategien 2022“.
Stabiler Finanzmarkt, aber Gefahr von Klippeneffekten
Die österreichische Finanzwirtschaft habe die Krise bisher aber gut und stabil durchgestanden, so Müller. Zum einen, weil die richtigen Lehren aus der globalen Finanzkrise gezogen worden seien, die Altlasten wie etwa notleidende Kredite (NPL) konsequent bereinigt worden waren, und die Finanzdienstleister dieses Mal über solide Eigenkapitalpölster verfügen. Zum anderen sei dies insbesondere dem Umstand geschuldet, dass die öffentlichen Hände der Realwirtschaft – Unternehmen wie privaten Haushalten – mit massiven Hilfs- und Stützprogrammen eine Brücke über die Krise in den Aufschwung zu schlagen versuchen und dadurch bisher ein Durchschlagen der Krise auf den Finanzmarkt unterbunden haben. Es sei jedenfalls paradox, dass angesichts der gravierenden realwirtschaftlichen Verwerfungen die Zahl der Insolvenzen um 40% gesunken ist, und die ohnedies historisch niedrigen NPL-Quoten in der Krise sogar leicht zurückgegangen sind. Bei der Auflösung des Problemrückstaus gelte es Klippeneffekte zu vermeiden.
Österreichs Finanzmarkt steht vor großen Herausforderungen
In ihrer mittelfristigen Risikoanalyse hat die FMA große Herausforderungen für den Finanzmarkt Österreich, Anbieter wie Verbraucher, identifiziert. „Neben der COVID-19-Gesundheitskrise und den dadurch ausgelösten realwirtschaftlichen und konjunkturellen Problemen sind dies insbesondere das nach wie vor anhaltende Niedrigzinsumfeld, das massive strukturelle Veränderungen bewirkt, der digitale Wandel, der einen tiefgreifenden Technologiebruch darstellt, sowie der Kampf gegen die Klimakrise, der den Umstieg auf ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell erfordert, wozu gerade die Finanzmärkte einen wesentlichen Beitrag zu leisten haben,“ so Müller. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld führe überdies zu Fehlbewertungen und überschießenden Reaktionen bei bestimmten Vermögenswerten und Finanzprodukten. Ettl verwies dazu explizit auf den Boom bei Immobilien und eine zu lockere Vergabepraxis bei Wohnbaukrediten, die zu Risiken für die Finanzmarktstabilität führen können. Weiters nannte er überschießende Entwicklungen bei Krypto-Assets und nachhaltigen Finanzprodukten. Diese Herausforderungen werde die FMA 2022 eingebettet in EU- wie nationale Regulierungsinitiativen mit Aufsichts- und Prüfschwerpunkten konkret adressieren. „Wir werden Mindeststandards für die Vergabe von Wohnbaukrediten erlassen, im Risiko- und Asset-Management einen Fokus auf Nachhaltigkeitsrisiken legen sowie die Einbeziehung von Krypto-Assets in Regulierung und Aufsicht vorantreiben,“ so Ettl.
Aufsichts- und Prüfschwerpunkte 2022
Als strategische Aufsichts- und Prüfschwerpunkte hat die FMA sechs Themenfelder festgelegt
- Resilienz und Stabilität: Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie adressieren, die Lehren daraus umzusetzen sowie das präventive Krisenmanagement zu stärken.
- Nachhaltigkeit: Im Kampf gegen den Klimawandel die Finanzdienstleister und -märkte beim Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaft zu begleiten und zu unterstützen.
- Digitalisierung: Um die Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Österreich zu stärken, die Chancen des digitalen Wandels nutzen und die damit verknüpften Risiken adressieren.
- Neue Geschäftsmodelle regulatorisch und aufsichtlich begleiten.
- Die Sauberkeit des Finanzplatzes Österreich sichern.
- Sowie den Kollektiven Verbraucherschutz weiterentwickeln.
Das Instrument, Aufsichts- und Prüfschwerpunkte für das kommende Jahr festzulegen und zu kommunizieren, schärft einerseits das Bewusstsein für die wesentlichen Risiken und Herausforderungen der kommenden Jahre. Andererseits leistet es einen wertvollen Beitrag zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit des aufsichtlichen Handelns und stärkt so das Vertrauen in den österreichischen Finanzmarkt. Eine konkrete und detaillierte Darstellung aller Maßnahmen der „Aufsichts- und Prüfschwerpunkte 2022“ ist in der Publikation „Fakten, Trends und Strategien 2022“ veröffentlicht und auf der Website der abrufbar.
Bild: ©Jürgen Fälchle – stock.adobe.com
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