Die Mahnung einer ausstehenden Folgeprämie ist an sehr strenge Formvorschriften geknüpft (siehe § 39 VersVG). Ob bei Nichteinhaltung einer Stundungsvereinbarung durch die Versicherungsnehmerin das gesamte Procedere vom Versicherer wiederholt werden muss, hatte der OGH in 7 Ob 20/21y vom 23.06.2021 zu klären.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 11/24/2021
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Die Versicherungsnehmerin und der Versicherer schlossen zu einem Zeitpunkt, zu dem aufgrund eines Folgeprämienverzugs der Versicherungsnehmerin die Leistungsfreiheit des Versicherers bereits eingetreten war, für den Rückstand von fünf monatlichen Prämien folgende Stundungsvereinbarung: „Bei korrekter Einhaltung der Zahlungsvereinbarung bleiben alle Rechte und Pflichten aus dem oben angegebenen Versicherungsvertrag aufrecht. Bei Terminverzug und bei Eintritt des Versicherungsfalles ist der gesamte Rückstand sofort auszugleichen.“ Als Termine für die Zahlung des aushaftenden Betrages wurden der 05.12.2017 und der 05.01.2018 vereinbart. Die Versicherungsnehmerin verunfallte am 07.11.2017. Zahlungen folgten am 07.12.2017 und am 04.01.2018. Der Versicherer lehnte eine Leistung ab, weil die Stundungsvereinbarung nicht eingehalten wurde. Die Versicherungsnehmerin vertrat der Ansicht, dass bei Nichteinhaltung der Bedingungen einer Stundungsvereinbarung eine neuerliche Mahnung gemäß § 39 VersVG notwendig gewesen sei. Diese Ansicht wurde von allen Instanzen nicht geteilt.
Entscheidungsgründe
Ohne gegenteilige Äußerung kann das Ersuchen um Stundung und Gewährung einer Ratenzahlung nur so verstanden werden, dass der VN alle mit der eingetretenen Säumnis für ihn verbundenen nachteiligen Folgen beseitigen wollte, daher nicht nur die Gefahr einer sofortigen Exekutionsführung, sondern auch alle anderen Nachteile, wie beispielsweise die Leistungsfreiheit des Versicherers. Es ist daher Sache des Versicherers, falls er einen anderen Standpunkt vertreten wollte, eindeutig darauf hinzuweisen, dass die Stundung lediglich einen Aufschub der Exekution, nicht aber eine Beseitigung der Leistungsfreiheit bewirken soll. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Aufrechterhaltung der Vertragsrechte und Vertragspflichten nach dem klaren Wortlaut der Vereinbarung nur bei korrekter Einhaltung der gesamten Zahlungsvereinbarung vorgesehen gewesen sei, ist nicht korrekturbedürftig.
Kommentar
Die Leistungspflicht des Versicherers wäre gegeben, wenn die Versicherungsnehmerin die Stundungsvereinbarung korrekt eingehalten hätte, also bei Eintritt des Versicherungsfalls sofort den gesamten Rückstand ausgeglichen hätte. Da der Rückstand nur rund 130 Euro betrug, ist dieses Versäumnis unverständlich, aber rechtlich nicht anders zu behandeln. Interessant wäre, warum die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgte. Argumente, dass die VN aufgrund des Unfalles am 07.11.2017 nicht in der Lage war, die ausstehende Prämie zu bezahlen, lagen entweder nicht vor oder wurden nicht vorgebracht. Für den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist die Aussage, dass es keiner weiteren qualifizierten Mahnung gemäß § 39 VersVG bedarf, wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers Ausfluss eines ursprünglichen Prämienverzugs ist, für den der Versicherungsnehmer bereits eine qualifizierte Mahnung erhalten hat. Das ist auch richtig, weil der Versicherungsnehmer durch die Stundungsvereinbarung sowohl der Prämienverzug als auch der Ernst der Lage bekannt sein musste.
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Titelbild: ©Rawf8 – stock.adobe.com
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