Nach dem Corona-Crash im März entwickeln sich manche Vermögenswerte vielversprechend – andere kommen dagegen nicht aus dem Tal heraus.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 12.06.2020
Von Stuart Canning, Multi-Asset-Spezialist bei M&G Investments
Wenn Anleger durch bestimmte Marktentwicklungen ihre langfristige Anlagestrategie scheinbar aufgeben und sich stattdessen von Emotionen, Gerüchten oder anderen kurzfristigen Verhaltensaspekten leiten lassen, nennen wir diese Periode auch eine Markt-„Episode“. Während dieser gibt es bei einer Reihe von auf den ersten Blick nicht miteinander verbundenen Anlageklassen sehr ähnliche Kursrückgänge. So geschah es auch in der Corona-Krise. Diese Zeit ist für Investoren sehr aufschlussreich, aber auch die darauffolgenden Entwicklungen, wenn sich die Anspannung langsam wieder legt.
Nach dem Crash trennt sich die Spreu vom Weizen
Fast alle Anlageklassen verloren im März an Wert – teilweise massiv. Einige Werte sind mittlerweile wieder auf ihr Vorkrisenniveau zurückgekehrt. Dazu gehören unter den Schwellenländeranleihen Staatstitel aus Südafrika: Innerhalb von nur zwei Monaten sprang ihre Rendite von knapp 9,5 auf fast 13% und wieder zurück. Nur zum Teil lässt sich diese Erholung mit einer Senkung der Leitzinsen oder der Intervention der Zentralbank erklären. Vielmehr deutet sie darauf hin, dass bestimmte liquide Schwellenländer-Assets zur ersten Anlaufstelle werden, wenn Anleger vor der Volatilität fliehen. Die Entwicklung in Brasilien steht für das Gegenteil Südafrikas: Nach der Abwertung gegenüber dem US-Dollar Mitte März fiel der brasilianische Real weiter ab. Dafür sind daher wohl eher tieferliegende landesspezifische Gründe verantwortlich.
Aktien von Unternehmen aus der weltweiten Gesundheitsbranche gaben ebenfalls zunächst nach. Das Wiedererstarken von Pharma- und Health-Care-Titeln lag an ihrer offensichtlichen Position als Gewinner der Pandemie, sowie an der Anlegerpräferenz für traditionelle sichere Häfen. Auch Technologiewerte haben wieder aufgeholt, und zwar nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch in Korea. Die Erholung von Bitcoin wirft die Frage auf, welche Rolle die Kryptowährung in einer Welt nach dem Lockdown beim Kampf gegen die globale Inflation spielen wird.
Schwächen bleiben auch nach der Krise erhalten
Bei US-Staatsanleihen gingen die Renditen nach dem Absturz nicht auf das Niveau vor Februar zurück, sondern blieben niedrig. Der Wunsch nach Sicherheit in volatilen Zeiten führte nicht zu steigenden Kursen. Ein solches Verhaltensmuster konnten wir über die letzten Jahrzehnte häufig beobachten: Nach einem periodischen Ansturm auf sichere Häfen bleibt es letztlich bei den alten Ertragserwartungen. Was bedeutet das? Trotz der Erholung auf den Aktienmärkten ist Vorsicht angesagt. Wir glauben, dass die jüngste Renditestabilität die Erwartung widerspiegelt, dass sich die lockere Geldpolitik bei geringen Inflationssorgen fortsetzt.
Der Blick auf Bankaktien zeigt ebenfalls, dass die jüngsten Marktbewegungen nicht mit Optimismus verwechselt werden sollten. Hier gibt es keine Anzeichen für eine Erholung. Zwar werden sich wirtschaftspolitische Änderungen auch auf diese Papiere positiv auswirken, aber besonders wegen der zyklischen Dynamik überwiegt doch der Pessimismus. Ein Beispiel: Die Aktienrendite der Bank of Ireland lag auf Jahressicht Ende Mai noch bei minus 67%.
Rohstoffe erholen sich bei verhaltensbedingten Kursbewegungen grundsätzlich weniger schnell als andere Vermögenswerte. Brent-Rohöl zum Beispiel litt zwar im April nicht im gleichen Ausmaß unter den Verwerfungen wie andere. Sein Preis liegt aber immer noch deutlich unter Vorkrisenniveau. Das liegt an der besonderen Konstellation am Ölmarkt, durch die es weiterhin zu heftigen Preisschwankungen kommen kann. Auch Dienstleister in diesem Bereich sind betroffen – wie die multinationale TechnipFMC mit Sitz in London. Seit Mai 2019 sank deren Aktienrendite um 66%.
Die Nachwirkungen der aktuellen, alle Assetklassen umfassenden Episode können Hinweise darauf geben, in welchem Umfang das Marktverhalten wieder stärker von Fundamentaldaten geprägt sein wird. Noch sind wir weit von normal funktionierenden Märkten entfernt. Aber eins kristallisiert sich schon heraus: Die Erholungschancen sind nicht für alle Vermögenswerte gleich. Anleger sollten daher noch selektiver und taktischer vorgehen als bisher.
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