Die wechselseitige Beteiligung von Unternehmen oder deren Gesellschaftern sowie der Angehörigenausschluss sind vielfach Anlass für Diskussionen im Schadenfall einer Haftpflichtversicherung. Der OGH entschied aktuell einen interessanten Fall zu Gunsten des VN (OGH 7 Ob 101/21k, versdb 2021, 49).
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 05.11.2021
Der VN ist ein Ingenieurbüro, das unter anderem Planungsleistungen erbringt. Er hat für die B***** GmbH als Bauträgerin ein Mehrfamilienwohnhaus geplant. Die Bauträgerin geht von Planungsfehlern der VN aus und hat Schadenersatzansprüche gegen den VN erhoben.
Der VN ist bei der Beklagten betrieblich haftpflichtversichert. Die Bedingungen enthalten u.a. folgenden Risikoausschluss:
„6. Es besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die zugefügt werden
[…]
6.3 Gesellschaftern des Versicherungsnehmers und deren Angehörigen (Pkt. 6.2);
6.4 Gesellschaften, an denen der Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen (Pkt. 6.2) beteiligt sind, und zwar im Ausmaß der prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers und seiner Angehörigen (Pkt. 6.2) an diesen Gesellschaften; weiters Gesellschaften, die demselben Konzern (im Sinne des § 15 AktG) wie der Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen (Pkt. 6.2) zugehören und zwar im Ausmaß der mittel- und/ oder unmittelbaren prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers und seiner Angehörigen (Pkt. 6.2) an diesen Gesellschaften. Bei juristischen Personen, geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen werden deren gesetzliche Vertreter und Angehörige dem Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen gleichgehalten.“
Der VN hat zwei Komplementäre, die zu je 50% Gesellschafter sowie selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Bauträgerin (Geschädigte) sind. Das Stammkapital der GmbH wird zur Gänze von den Komplementären des VN gehalten.
Der VN begehrt Versicherungsdeckung für die von der Bauträgerin erhobenen Schadenersatzansprüche. Der Versicherungsvertrag sei nur mit der KG (VN), nicht aber mit den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern geschlossen worden. Der VN selbst sei an der geschädigten GmbH nicht beteiligt. Der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006 greife daher nicht. Auch der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 liege nicht vor, weil der Schaden im Vermögen der Bauträgerin eingetreten sei.
Der Versicherer erklärt sich leistungsfrei. Der dem Deckungsbegehren zugrundeliegende Schaden sei einer Gesellschaft zugefügt worden, an der die dem VN gleichzuhaltenden organschaftlichen Vertreter mit insgesamt 100 % beteiligt seien. Das bewirke einen gänzlichen Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006. Wegen der Identität der Komplementäre des VN mit den alleinigen Gesellschaftern und Geschäftsführern der geschädigten Bauträgerin, sei auch der Risikoausschluss des Art 7.6.3. AHVB erfüllt.
Entscheidung des OGH:
Der OGH stellt zunächst fest, dass eine Kommanditgesellschaft zwar ein umfassend rechtsfähiger Personenverband mit allen Rechten und Pflichten einer juristischen Person ist, allerdings ist sie nach herrschender Ansicht keine juristische Person.
Zum Ausschluss Beteiligung an Gesellschaften:
Es mag sein, dass der Zweck des Risikoausschlusses, nämlich die Vermeidung der Annäherung der Interessen des Geschädigten und des Versicherungsnehmers in Form einer Beteiligung der vertretungsbefugten Organe eines rechtsfähigen Gebildes als Versicherungsnehmer an einer geschädigten Gesellschaft, gleichermaßen für juristische Personen wie auch eingetragene Personengesellschaften gilt. Die Anwendung des letzten Satzes in Art 7.6.4. AHVB 2006 auf eingetragene Personengesellschaften scheitert jedoch am nach herrschender Ansicht unstrittigen Inhalt des Begriffs „juristische Person“. Risikoausschlüsse sind nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Eine über den Wortlaut hinausgehende (analoge) Anwendung dieses Risikoausschlusses auf eingetragene Personengesellschaften zum Nachteil des Versicherungsnehmers verbietet sich daher. Daraus folgt für die hier zu beurteilende Klausel, dass der in Art 7.6.4. AHVB 2006 verwendete Begriff „juristische Person“ eine Kommanditgesellschaft nicht einschließt.
Entgegen der Ansicht des Versicherers sind Kommanditgesellschaften auch nicht dem in Art 7.6.4. letzter Satz AHVB 2006 verwendeten Begriff der „geschäftsunfähigen Personen“ zu unterstellen, weil damit eindeutig nur natürliche Personen gemeint sind. Dies ergibt sich einerseits aus der weiteren Bezugnahme auf „beschränkt geschäftsfähige Personen“ im selben Satzteil. Andererseits würde sich bei dem vom Versicherer gewünschten Verständnis die ausdrückliche Nennung der „juristischen Personen“ in diesem Satz erübrigen und wäre demgemäß ohne Regelungsinhalt, was nicht unterstellt werden kann.
Da somit bei einer Kommanditgesellschaft die gesetzlichen Vertreter nicht dem VN gleichzuhalten sind und zwischen einer Kommanditgesellschaft und ihren Gesellschaftern keine Parteiidentität besteht, greift der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.4. AHVB 2006 nicht.
Zum Gesellschafterausschluss:
Gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die Gesellschaftern des Versicherungsnehmers zugefügt werden.
Es mag sein, dass die beiden Komplementäre des VN als 100 %-Gesellschafter der Bauträger-GmbH mittelbar Geschädigte sind (durch Wertverlust oder nicht erfolgte Wertsteigerung des Geschäftsanteils), unmittelbar geschädigt ist jedoch ausschließlich die GmbH. Dass der Risikoausschluss auch auf solche mittelbaren Schäden der Gesellschafter des VN anzuwenden ist, ergibt sich nicht hinreichend klar aus Wortlaut und Zweck der Klausel. Diese Unklarheit geht zu Lasten des Versicherers, sodass auch der Risikoausschluss gemäß Art 7.6.3. AHVB 2006 nicht verwirklicht ist.
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto oben) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print
Titelbild: ©Daniel – stock.adobe.com
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