In der Betriebshaftpflichtversicherung sind Schadenersatzforderungen gegen den versicherten Betrieb und dessen leitende und beaufsichtigende Personen gedeckt. Schadenersatzforderungen gegen alle übrigen Arbeitnehmer sind auch gedeckt – jedoch mit Ausnahme von Arbeitsunfällen (Personenschäden). Der OGH musste in einem aktuellen Fall entscheiden, ob der Haftpflichtversicherer Regressforderungen des Sozialversicherers in der Höhe von EUR 79.237 gegen den Vorarbeiter zu decken hat (OGH 7 Ob 52/21d, versdb 2021, 34).
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 6/17/2021
Abschnitt A der EHVB 1993 lautet auszugsweise wie folgt:
„3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1. und 2. Schadenersatzverpflichtungen
3.1 der gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebs oder eines Teils desselben angestellt hat;
3.2 sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, jedoch unter Ausschluss von Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn der Sozialversicherungsgesetze handelt.“
Im Zuge von Bauarbeiten forderte der Vorarbeiter die Mitarbeiter des VN und auch den später Verunfallten mehrmals ausdrücklich auf, sich mit dem auf der Baustelle vorhandenen Sicherheitsgeschirr zu sichern. Diese Anweisungen wurden von allen Arbeitern ignoriert. Als seine neuerliche Anordnung, der später Verunfallte möge sich sichern, wiederum ignoriert wurde, kontaktierte er den Bauleiter telefonisch. Diesem teilte er mit, dass sich die Arbeiter auf der Baustelle nicht sicherten und sie seine diesbezüglichen Anweisungen ignorierten. Er wollte mit diesem Anruf jegliche Verantwortung abgeben und ersuchte um Unterstützung. Sinngemäß teilte der Bauleiter ihm aber mit, dass er die Arbeiten auf der Baustelle schlicht fertig zu stellen habe und die fehlenden Sicherungen keine Rolle spielten. In weiterer Folge ereignete sich ein Arbeitsunfall, bei dem ein Versicherter der klagenden Sozialversicherungsträgerin verletzt wurde.
Haftpflichtversicherer lehnt ab
Der Versicherer verweigerte die Deckung: Der Vorarbeiter sei mitversichert nach Abschnitt A Z 1.3.2 EHVB („übrige Arbeitnehmer“). Es bestehe kein Versicherungsschutz, weil Schadenersatzansprüche für Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebs im Sinn des Sozialversicherungsgesetzes handle, für den Personenkreis „übrige Arbeitnehmer“ ausgeschlossen seien.
Entscheidung des OGH
Die Betriebshaftpflichtversicherung erstreckt sich kraft Gesetz (§ 151 Abs 1 VersVG) auf die Haftpflicht der Vertreter des Versicherungsnehmers sowie auf die Haftpflicht solcher Personen, welche er zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs oder eines Teils des Betriebs angestellt hat. Dem entspricht auch Abschnitt A Z 1.3.1 EHVB. Solche Personen, die der Versicherungsnehmer zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebs- oder eines Teils desselben angestellt hat, bezeichnet § 333 Abs 4 ASVG als „Aufseher im Betrieb“.
Sowohl dem Vertreter des Dienstgebers als auch dem Aufseher des Betriebs ist gemeinsam, dass sie entweder eine nicht nur kurzfristige Leitungs- und Überwachungsfunktion im Betrieb oder auch ohne Dauerfunktion eine in tatsächlicher Hinsicht mit Weisungsbefugnis im Einzelfall ausgestattete Machtposition innehaben, welche ihnen ermöglicht, direkt auf die beaufsichtigten Dienstnehmer hinzuwirken. Die Tätigkeit muss nicht für eine gewisse Dauer ausgeübt werden, die Beauftragung im Einzelfall kann ausreichen. Betriebsleiter oder Betriebsaufseher kann ein Mitarbeiter auch vorübergehend sein.
Für die Mitversicherung nach § 151 VersVG Abschnitt A Z 1.3.1 EHVB genügt eine Weisungsbefugnis im Einzelfall, es genügt daher die Position eines Aufsehers im Betrieb nach § 333 Abs 4 ASVG.
Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person bei einem konkreten Arbeitseinsatz als Aufseher im Betrieb im Sinn des § 333 Abs 4 ASVG anzusehen ist, ist stets einzelfallbezogen vorzunehmen. Für die Qualifikation des Aufsehers ist eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und Selbständigkeit verbundene Stellung zur Zeit des Unfalls erforderlich. Er muss die Verantwortung für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte tragen. Nicht entscheidend ist, ob die Aufsicht ganz unbeschränkt oder mit Unterordnung unter einem Vorgesetzten ausgeübt wird. Eine Dauerfunktion im Betrieb ist nicht erforderlich.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts arbeiteten die übrigen am Unfallsort tätigen Arbeitnehmer unter Anleitung des beim Versicherungsnehmer angestellten Vorarbeiters. Ihm kam damit die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zu. Entgegen der Ansicht des Versicherers wurde diese Funktion auch nicht in dem Telefonat mit dem Betriebsleiter zurückgelegt, informierte der Vorarbeiter ihn doch lediglich über die Probleme mit der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften setzte aber nach dem Telefonat seine Tätigkeit vor Ort fort.
Daraus folgt, dass der Vorarbeiter als Aufseher im Betrieb nach Abschnitt A Z 1.3.1 EHVB mitversichert ist, woraus die Deckungspflicht des Versicherers folgt, ohne dass der Ausschluss nach Abschnitt A Z 1.3.2 EHVB zur Anwendung gelangt.
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank:www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print
Titelbild: ©ARMMYPICCA – stock.adobe.com
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