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Haftungsfalle Geschäftsunterlagen

(Bild: ©Tiko - stock.adobe.com)

Haftungsfalle Geschäftsunterlagen

03. April 2024

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7 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Im komplexen und stark regulierten Feld der Versicherungsvermittlung stellen Geschäftsunterlagen ein zentrales Element dar, das nicht nur der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen dient, sondern auch als Grundlage für eine erfolgreiche und rechtssichere Kundenbeziehung fungiert. Die Gestaltung dieser Dokumente birgt jedoch zahlreiche Haftungsrisiken, die es zu erkennen und zu vermeiden gilt.

Artikel von:

Von Dr. Margot Nusime, MBA

Von Dr. Margot Nusime, MBA

Rechtsanwältin und Partnerin bei Brauneis Rechtsanwälte; Expertin für Versicherungsrecht

1. Keine explizite gesetzliche Vorgabe für das Aussehen von Geschäftsunterlagen

Versicherungsmakler:innen sind Individualisten: Selten gleicht ein Geschäftsmodell dem nächsten. Auch haben sie individuelle Kundenstrukturen und Produktpaletten. Entsprechend unterscheiden sich die Geschäftsunterlagen von Versicherungsmakler:innen auch hinsichtlich ihrer Komplexität, ihres Aussehens und der Form der Erteilung. Andererseits ist der Vertrieb von Versicherungen durch den EU-Gesetzgeber und nationale Vorschriften intensiv reglementiert. In der Praxis hat sich die Erstellung eines Beratungsprotokolls bewährt, welches die gewerberechtlichen Informationspflichten, die ausdrückliche Zustimmung zur elektronischen Kommunikation und den Wünsche- und Bedürfnistest samt Empfehlung etabliert. Zu Beweiszwecken sollten die Geschäftsunterlagen unterfertigt werden. Die AGB müssen zumindest nachweislich zu Kenntnis gebracht werden.

Wesentlich ist, dass die Geschäftsunterlagen vollständig sind, d.h. alle gesetzlichen Vorgaben enthalten, dass sie nicht irreführend sind und dass die Versicherungsmakler:innen mit ihren eigenen Geschäftsunterlagen gut zurechtkommen.

2. Geschäftsunterlagen sollten dem Geschäftsmodell entsprechen

Die besten Geschäftsunterlagen sind wertlos, wenn sie vertriebsfeindlich sind. Trotz aller Auflagen sollten Versicherungsvermittler:innen auch noch in der Lage sein, ihr Geschäft wirtschaftlich zu betreiben. Daher sollten, bei aller gebotenen Vorsicht, die Geschäftsunterlagen so weit wie möglich dem Geschäftsmodell und nicht umgekehrt, das Geschäftsmodell den Geschäftsunterlagen, angepasst werden. In diesem Zusammenhang hat es sich bewährt, die AGB bereits im vorvertraglichen Stadium von Kund:innen zur Kenntnis nehmen zu lassen. Manche Versicherungsmakler:innen lassen Kund:innen vorab eine Honorarvereinbarung unterfertigen, die für jene Fälle greift, bei denen Kund:innen beschließen, nun doch bei anderen Versicherungsvermittler:innen einen Vertrag abschließen zu wollen. Wertvolle Zeit und Beratung sollte auch vergütet werden.

3. Fehler in Geschäftsunterlagen

Versicherungsmakler:innen haben eine Reihe von Pflichten zu erfüllen, deren sie sich auch nicht durch vertragliche Regelungen entledigen können. Es sind zwingende Regelungen des Gewerberechts, der Standesregeln für Versicherungsvermittlung, des Maklergesetzes, der datenschutzrechtlichen Vorgaben bis hin zur Regelung im Hinblick auf Nachhaltigkeit zu erfüllen. Bei dieser Fülle kann es passieren, dass Versicherungsmakler:innen auf die eine oder andere Bestimmung vergessen.

Weiters sollten Geschäftsunterlagen Versicherungsmakler:innen zivilrechtlich bestmöglich absichern. Werden etwa missverständliche Haftungseinschränkungen oder die Abbedingungen der Fristenwahrung nach § 28 Z 7 MaklerG vergessen, haben damit zwar die Behörden kein Problem, wohl aber Versicherungsmakler:innen, falls diesen später von Kund:innen ein Beratungsfehler vorgeworfen wird.

Allen potenziellen Fehlern gemeinsam ist, dass sich diese nicht nur auf eine individuelle Geschäftsbeziehung auswirken, sondern multiplikativ nachteilig auf alle bestehenden und zukünftigen Geschäftsbeziehungen ausstrahlen. Fehler können auch als tickende Zeitbomben innerhalb bereits beendeter Geschäftsbeziehungen schlummern. Kommen Dritte zu Schaden, potenziert sich das Haftungsrisiko.

4. Vertragshierarchie

Die Art und Weise der Vertragsgestaltung variiert stark innerhalb der Branche der Versicherungsvermittlung. Manchmal bestehen AGB und Maklervertrag, ob nun einzeln ausverhandelt oder als Vertragsformblatt, nebeneinander. Ganz generell geht die einzeln ausverhandelte Vereinbarung Vertragsformblättern bzw. AGB vor. Damit durch AGB weitere Nebenbestimmungen zum Maklervertrag vereinbart werden können, müssen diese rechtmäßig in den Maklervertrag einbezogen werden. Zur vereinfachten Abwicklung sehen manche Maklerverträge oder Vertragsformblätter formularmäßige Änderungsvorbehalte vor. Diese einseitigen Gestaltungsrechte, die eine Vertragsänderung durch Zustimmungsfiktion etablieren, unterliegen allerdings insbesondere bei Verbrauchergeschäften speziellen gesetzlichen Einschränkungen. Zudem unterzieht der OGH die Zustimmungsfiktionsklauseln zusätzlich der allgemeinen Inhaltskontrolle sowie der Transparenzkontrolle. Änderungsrechte müssen schon in der Klausel dem Umfang nach klar eingegrenzt werden.

Ganz allgemein unterliegen AGB der Sittenwidrigkeitskontrolle, der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB und der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB sowie im Verhältnis zu Konsumenten dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG.

5. Was ist ein einzeln ausverhandelter Maklervertrag?

Zivilrechtlich am besten abgesichert sind Versicherungsmakler:innen durch einen einzeln ausverhandelten Vertrag. Allerdings gilt rechtlich ein Vertrag nur dann als einzelvertraglich ausverhandelt, wenn Kund:innen tatsächlich auch die Möglichkeit hatten, am Vertragsinhalt etwas zu verändern. Dabei ist eine einzelne Formulierungsänderung nicht ausreichend. Die Abänderungen sollten etwa im elektronischen Mailverlauf oder handschriftlich am Vertrag ersichtlich sein. Standardverträge, die allen Kund:innen in gleicher oder ähnlicher Form unterbreitet werden, gelten als Vertragsformblätter und unterliegen ebenso der gerichtlichen Klausel-Kontrolle wie AGB.

Ob der Auftrag Teil der Vollmacht oder der AGB ist, ob es einen ausverhandelten Maklervertrag gibt oder der Maklervertrag ein Vertragsformblatt darstellt, hängt maßgeblich von der Kundenstruktur und dem Geschäftsmodell der Versicherungsmakler:innen ab. Im Industriekundenbereich, bei dem Versicherungsmakler:innen einem weit größerem Haftungspotenzial ausgesetzt sind, empfiehlt es sich, Kund:innen die Möglichkeit zu geben, an der Gestaltung des Maklervertrages mitzuwirken, im Privatkundenbereich ist dies mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand kaum möglich.

Zu empfehlen ist:

Bei Industriekunden und Gewerbekunden, etwa Hausverwaltungen, bei denen die Beratung und Vermittlung ein größeres Haftungspotenzial beinhaltet, sind Versicherungsmakler:innen gut beraten, wenn sie sich die Mühe machen und die Zeit nehmen, den Maklervertrag mit den Kund:innen einzeln zu verhandeln.

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact April-Ausgabe!

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