Die Klägerin behauptete, bei der harten Landung eines Flugzeugs einen Bandscheibenvorfall erlitten zu haben. Ob hier tatsächlich ein Flugunfall vorlag, ist nicht abschließend geklärt.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 17.02.2020
Die Klägerin war im März 2014 Fluggast eines von der Beklagten durchgeführten Fluges von Wien nach St. Gallen/Altenrhein (Schweiz). Die Landung konnte subjektiv als hart empfunden werden, lag aber noch im normalen Betriebsbereich des Flugzeugs. Ein Fehlverhalten des Piloten konnte nicht festgestellt werden.
Die Klägerin behauptete, aufgrund der Landung einen Bandscheibenvorfall erlitten zu haben und forderte unter Berufung auf Art 17 Montrealer Übereinkommen (MÜ) Schadenersatz. Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Die Haftung nach Art 17 MÜ setze einen Unfall voraus, der nur bei einer „außerordentlich harten Landung“ anzunehmen sei. Eine solche sei hier nicht vorgelegen.
Montrealer Übereinkommen
Der Oberste Gerichtshof (OFH) befasste sich mit der strittigen Auslegung von Art 17 Abs 1 MÜ: „Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.“
Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei für den Unfallbegriff dessen „gewöhnliche Bedeutung“ heranzuziehen, wonach es sich um ein „unvorhergesehenes, unbeabsichtigtes, schädigendes Ereignis“ handle, das plötzlich auftritt und mit dem der Fluggast nicht rechnete. Kein Unfall läge nur dann vor, wenn der Schaden durch den Normalbetrieb des Flugzeugs verursacht wurde, ohne dass es zu einem plötzlichen und für den Fluggast überraschenden Ereignis kam.
Unvorhersehbarkeit des Ereignisses
Die französische Rechtsprechung stellt vor allem auf die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses ab. Damit wären Schäden nicht zu ersetzen, die durch Ereignisse eintreten, die zum normalen und vorhersehbaren Betrieb des Flugzeugs gehören. Ähnliches wird auch im deutschsprachigen Schrifttum vertreten: Typische, betriebsbedingte und akzeptierte Ereignisse könnten die Haftung nicht begründen. Eine harte Landung sei daher nur dann als Unfall einzustufen, wenn die vom Hersteller vorgegebenen Grenzwerte für die Belastung von Fahrwerk und tragenden Teilen deutlich überschritten würden.
Ereignisse, die (noch) zum Normalbetrieb eines Flugzeugs gehören, führen demnach typischerweise nicht zu einer Körperverletzung – und zwar auch dann nicht, wenn sie plötzlich und unerwartet auftreten. Das gilt insbesondere für „harte“ Landungen. Kommt es dennoch zu einer Verletzung, so wird regelmäßig eine besondere Disposition des Fluggasts vorliegen, die als weitere Schadensursache zum Ereignis hinzutritt. Diese Disposition fiele dann nicht in den Risikobereich der Fluggesellschaft.
Vorlage an Europäischen Gerichtshof
Nach Auffassung des OGH ist diese Auffassung grundsätzlich vorzuziehen. Zwar führe sie dazu, dass die vom Flugzeughersteller vorgegebenen Grenzwerte mittelbar die Auslegung des Begriffs „Unfall“ bestimmen. Sie bewirke allerdings einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Fluggasts und der Fluglinie, verhindere eine Uferlosigkeit der Haftung und habe zudem gerade durch das Anknüpfen an konkreten Grenzwerten den Vorteil der Einfachheit für sich. Allerdings konnte der OGH hier noch keine Entscheidung treffen und brachte eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ein.
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