Haben wir im ersten und zweiten Teil der Serie die Programmstruktur und Begrifflichkeiten definiert, widmen wir uns im letzten Teil einem wesentlichen Bestandteil von internationalen Haftpflichtprogrammen: den Lokalpolizzen.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 28.10.2019
Von Mag. Christian Cencic, Leiter des Bereichs Haftpflichtversicherungen (Casualty) bei CHUBB*
In Österreich hat sich bei vielen Marktteilnehmern die Überzeugung etabliert, dass unser hoch entwickelter Markt einen derartig hohen Bedingungsstandard garantiert, mit dem alle Spezialitäten in anderen Ländern über den Mastervertrag abgedeckt werden können. Dabei müssen wir gar nicht in die Ferne schweifen, sondern ein Blick zu unseren nördlichen Nachbarn in Deutschland reicht aus, um die diffizilen Aufgabenstellungen von Lokalpolizzen zu veranschaulichen. Dort wurde die Umsetzung der Richtlinie 2004/35/EG zur Umwelthaftung und zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden durch die Versicherungswirtschaft gänzlich anders gelöst. Während in Österreich nur der Störfall, typischerweise gegen eine geringe Mehrprämie mit einer umfangreichen, aber dennoch weitgehend standardisierten Klausel im Rahmen der allgemeinen Betriebshaftpflicht mitversicherbar ist, entstand in Deutschland für die Umwelthaftung eine eigene Sparte mit einem separaten Bausteinsystem. So besteht bei der Beauftragung einer Lokalpolizze im Rahmen eines internationalen Haftpflichtversicherungsprogrammes die Qual der Wahl: soll nur der Störfall versichert sein oder auch der Normalbetrieb?
Umweltstörung – massive Unterschiede
Für ein zweites Beispiel bleiben wir im selben Bereich. Massive Unterschiede bestehen bei der rechtlichen Interpretation der Anwendbarkeit der klassischen Umweltstörung. In Österreichs unverbindlichen Musterbedingungen durch Artikel 6 AHVB normiert, wird in Deutschland die Auffassung vertreten, dass Fälle, welche hierzulande klassisch der Grunddeckung jeder Betriebshaftpflichtversicherung zugeordnet werden, einen Fall der Umweltdeckung darstellen, sofern das schadenstiftende Ereignis über ein Medium übertragen wurde. Zur Veranschaulichung ein Fallbeispiel: Bei Schweißarbeiten auf dem Betriebsgelände der Versicherungsnehmerin entzündet Funkenflug, also eine Übertragung durch ein Medium (Luft), einen Brand. Das Löschwassser, welches den Brand eindämmen soll, verschmutzt in Folge das benachbarte Gelände; das Feuer verbrennt auch einen nahegelegenen Wald der Gemeinde, all dies verursacht einen Umweltschaden.
Eine weitere Problematik könnte bei Umweltschäden im Bereich der DIC Deckung des Mastervertrages entstehen. Die USKV-Klausel gemäß Verbandsempfehlung zielt mit ihrer Formulierung auf österreichische Institutionen (Bezirkshauptmannschaften) und den Störfall, also die Abweichung vom Normalbetrieb, ab. Bezirkshauptmannschaften sucht man in anderen EU Ländern jedoch vergebens.
Was ist eine gute Lokalpolizze?
Wie sieht nun der ideale Versicherungsschutz einer Lokalpolizze aus und woher können die relevanten Informationen bezogen werden? Als Jurist kann die Antwort nur lauten, dass dies von der individuellen Risikosituation der Versicherungsnehmerin abhängt.
Einerseits gibt es Plattformen, welche in der Regel allgemein gehaltene Informationen zur Verfügung stellen. Problematisch dabei könnte jedoch sein, dass man aufgrund unterschiedlicher Interpretationen von Fachbegriffen nicht immer zu den Ergebnissen kommt, die den AHVB/EHVB entsprechen. Andererseits ist ein Korrespondenzmakler vor Ort ein probates Mittel zur Informationsbeschaffung. Dieser kann auch Feedback zur lokal ausgestellten Programmpolizze geben und sein Wissen bezüglich des lokalen Versicherungsmarktes teilen. Aber auch hier könnte die korrekte Übersetzung der rechtlich relevanten Begriffe mitunter eine Hürde sein.
Schlussendlich bleibt noch der Versicherer als Anlaufstelle. Die Mehrzahl der Anbieter am österreichischen Markt verfügen über ein eigenes Netzwerk, welches Auskunft über mögliche lokale Deckungen erteilen und auch über den Sinn der Deckungsinhalte Bestätigungen liefern kann.
Am Ende des Tages sollte eine Kombination der verschiedenen Informationsquellen zum Erfolg führen. Der Bedarf der Versicherungsnehmerin, gepaart mit dem Feedback des Korrespondenzmaklers und dem Know-how des Maklers und Versicherers der Wahl, lassen die bestmögliche Lösung entstehen. Klar sollte jedoch sein, dass diese viel Zeit, Vorbereitung und Einsatz aller Beteiligten benötigt.
*Leicht gekürzte Fassung; der Artikel erscheint in der AssCompact November-Ausgabe.
„Internationale Programme richtig versichern“:
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