Der OGH entschied einen Fall, bei dem der VN von einem Lebensversicherungsvertrag zurücktreten wollte, den er über einen Versicherungsmakler abgeschlossen hat (OGH 7 Ob 147/20y, versdb 2021, 9). Der Fall musste nach der alten Rechtslage (noch vor dem 1. Jänner 2019) beurteilt werden.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 08.02.2021
Der VN schloss mit dem Versicherer einen Lebensversicherungsvertrag „für den Privatbereich“. Versicherungsbeginn war der 1.1.2013. Der Lebensversicherungsvertrag war Tilgungsträger für einen aus dem Jahr 2005 stammenden Kredit. Dieser Lebensversicherungsvertrag ersetzte einen früheren Tilgungsträger.
Der Versicherungsvertrag kam über den Schwager des VN zustande, der als Versicherungsmakler tätig war. Schon vor Abschluss dieses Versicherungsvertrags hat der Versicherungsmakler den VN in finanziellen Belangen beraten.
Der VN hatte den Versicherungsantrag vom Versicherungsmakler erhalten. Bei einem der seinerzeit regelmäßigen Treffen zwischen diesem und dem VN kam es dann am 23.11.2012 zur Unterfertigung des Antrags durch den VN. Über die konkreten Risiken dieses Produkts hat der Versicherungsmakler den VN nicht mündlich aufgeklärt. Auch über ein allfälliges Rücktrittsrecht wurde nicht gesprochen. Der Versicherungsmakler nahm den vom VN unterzeichneten Versicherungsantrag mit und übermittelte diesen dem Versicherer. Dem VN händigte der Versicherungsmakler eine Kopie des Antrags aus.
Mit Schreiben vom 30.11.2018 erklärte der VN wegen der schlechten Performance der Lebensversicherung gegenüber dem Versicherer den Rücktritt vom Vertrag mit der Begründung, dass er nicht bzw. nicht ordnungsgemäß über die zustehenden gesetzlichen Rücktrittsmöglichkeiten belehrt worden sei. Er stützte seinen Rücktritt auf § 8 FernFinG (alte Fassung), in eventu auf §§ 165a, 5b VersVG (alte Fassung).
Entscheidung des OGH
Der OGH verneinte alle drei Rücktrittsmöglichkeiten, insbesondere weil der Vertrag über einen Versicherungsmakler abgeschlossen wurde. Die Begründung finden Sie hier kompakt zusammengefasst:
- § 8 FernFinG (alte Fassung): Für diese Bestimmung gilt, dass dieses Rücktrittsrecht namentlich im Hinblick auf den Schutzzweck der Regelungen der FDRL und des FernFinG im Fall des Vertragsabschlusses unter persönlicher Mitwirkung eines Versicherungsmaklers zweifelsfrei nicht anzuwenden ist. Durch den Versicherungsmakler ist nämlich wegen der ihm gegenüber dem VN obliegenden Informations- und Beratungspflichten gerade der von der FDRL und dem FernFinG verfolgte Schutz des VN in vollem Umfang gewährleistet.
- § 165a VersVG (alte Fassung): Hier verwies der OGH lediglich auf die ständige Judikatur des OGH zu Spätrücktritten: Selbst wenn man davon ausginge, dass die Rechtsbelehrung bzw. die AVB der Beklagten dem Kläger den Eindruck einer notwendigen Schriftform für die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 165a Abs 1 VersVG vermittelt haben, folgt daraus keine relevante Erschwernis dieses Rücktrittsrechts. Auf die Einhaltung der Schriftform konnte sich die Beklagte nicht berufen, sodass ein allfälliger Rücktritt des Klägers in jeder beliebigen Form wirksam gewesen wäre.
- § 5b VersVG (alte Fassung): Der VN hat seine Vertragserklärung, also den Versicherungsantrag, nicht, wie dies § 5b Abs 1 VersVG (aF) voraussetzt, dem Versicherer oder seinem Beauftragten (einem Versicherungsvermittler) gegenüber persönlich, sondern per Post durch den von ihm beauftragten Versicherungsmakler, der dem VN den Versicherungsantrag zur Verfügung stellte, abgegeben. Schon aus diesem Grund ist § 5b Abs 1 VersVG (aF) nicht anwendbar. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der VN vom Versicherungsmakler überdies eine Antragskopie ausgehändigt erhalten, womit der Rücktrittsgrund nach § 5b Abs 2 Z 1 VersVG (aF) ausscheidet. Aufgrund der Art des Zustandekommens des Vertrags über Einschaltung eines Versicherungsmaklers konnte der Versicherer dem VN die AVB vor Abgabe seiner Vertragserklärung (Übermittlung des Versicherungsantrags an den Versicherer) nicht zur Verfügung stellen. Damit scheidet nach bereits vorliegender Rechtsprechung (7 Ob 175/99g), gegen welche der VN im vorliegenden Kontext keine Bedenken zu erwecken vermag, auch der Vertragsrücktritt nach § 5b Abs 2 Z 2 VersVG (aF) aus, hat doch der Versicherer die AVB mit der Polizze übermittelt (§ 5b Abs 4 VersVG). Es liegt somit im Ergebnis keine rücktrittsbegründende Verletzung des § 5b Abs 2 VersVG vor.
Anmerkung
Das Urteil bezieht sich auf die alte Rechtslage. Insbesondere seit 1. Jänner 2019 gilt eine völlig neue Rechtslage für den Rücktritt von Lebensversicherungen. Aktuell sind für den Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen § 5c VersVG sowie § 8 FernFinG (aktuelle Fassung) anzuwenden:
Rücktritt nach § 5c VersVG:
Der VN kann vom Versicherungsvertrag ohne Angabe von Gründen und unabhängig vom Vertriebsweg (Makler, Agent, ...) zurücktreten. Die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts beginnt mit dem Tag, an dem der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist (Ausstellung der Polizze oder einer gesonderten Annahmeerklärung), jedoch nicht bevor der VN folgende Informationen erhalten hat:
- den Versicherungsschein,
- die Versicherungsbedingungen,
- die Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie, soweit diese nicht im Antrag bestimmt ist, und über vorgesehene Änderungen der Prämie sowie
- eine Belehrung über das Rücktrittsrecht (Informationen über die Rücktrittsfrist und deren Beginn, die Anschrift des Adressaten der Rücktrittserklärung, einen Hinweis auf die Regelungen der Abs. 4 bis 6. des § 5c VersVG).
Die Rücktrittsfrist beträgt für Lebensversicherungen 30 Tage.
Der Rücktritt ist in geschriebener Form gegenüber dem Versicherer zu erklären. Die Rücktrittsfrist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird. Es ist keine Unterschrift oder qualifizierte elektronische Signatur erforderlich, wenn aus der Erklärung die Person des Erklärenden hervorgeht (dh Mail oder Fax genügt).
Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich einer Belehrung über das Rücktrittsrecht.
Rücktritt für Verbraucher nach § 8 FernFinG (Vertragsabschluss im Fernabsatz):
Die Rücktrittsfrist beträgt bei Lebensversicherungen 30 Tage. Die Frist ist jedenfalls gewahrt, wenn der Rücktritt schriftlich oder auf einem anderen, dem Empfänger zur Verfügung stehenden und zugänglichen dauerhaften Datenträger erklärt und diese Erklärung vor dem Ablauf der Frist abgesendet wird. Die Rücktrittsfrist beginnt mit dem Tag des Vertragsabschlusses. Bei Lebensversicherungen beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher über den Abschluss des Vertrags informiert wird. Hat aber der Verbraucher die Vertragsbedingungen und Vertriebsinformationen erst nach Vertragsabschluss erhalten, so beginnt die Rücktrittsfrist mit dem Erhalt aller dieser Bedingungen und Informationen.
Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print
Foto oben: ©amnaj – stock.adobe.com
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