Der Sohn einer Versicherungsnehmerin fuhr alkoholisiert mit dem Fahrrad und veursachte dabei einen Unfall. Der Sohn ist Mitversicherter bei der Privathaftpflichtversicherung der Versicherungsnehmerin. Diese verweigerte jedoch eine Deckung mit der Begründung, dass aufgrund einer mehrfach grob rechtswidrigen Verhaltensweise des Klägers nicht von einer Verwirklichung der Gefahr des täglichen Lebens gesprochen werden kann.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 10.10.2022
Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Wohnungs-/Eigenheimversicherung, die eine Privathaftpflichtversicherung umfasst, abgeschlossen. Ihr Sohn ist mitversichert.
Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die allgemeinen Bedingungen für die Raiffeisen Wohnungsversicherung (ABWH/RV 06.2016) zu Grunde. In Artikel 7.1 findet sich die primäre Risikoumschreibung wieder.
Demnach erstreckt sich die Versicherung:
auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der im Artikel 6 genannten mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens.
[…]
Der Sohn der Klägerin fuhr mit seinem Fahrrad in einem stark alkoholisierten Zustand mit mindestens 1,5 Promille ohne Licht, trotz Vorhandenseins eines von der Fahrbahn abgegrenzten Fahrradweges auf einer unbeleuchteten Landesstraße mit einem Abstand von 1,5 m zum rechten Fahrbahnrand, als er seine Fahrlinie nach links verlagerte und dabei eine im Überholvorgang befindliche Mopedlenkerin übersah. Es kam zum Unfall. Der Fahrradlenker hatte den Alkohol zuvor bei einem privaten Fest konsumiert und beabsichtigte nach Hause zu fahren.
Die Klägerin vertrat im Rechtsstreit gegenüber der Beklagten die Rechtsauffassung, dass ein deckungspflichtiger Schadensfall vorliegt. Dies deshalb, da sich eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht und ihr Sohn den Unfall nicht bedingt vorsätzlich verursacht habe. Die Beklagte bestritt dies und vertrat die Auffassung, dass aufgrund einer mehrfach grob rechtswidrigen Verhaltensweise des Klägers nicht von einer Verwirklichung der Gefahr des täglichen Lebens gesprochen werden kann.
Wie ist die Rechtslage?
In der Entscheidung 7 Ob 7/22p hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich eine Gefahr des täglichen Lebens in Zusammenhang mit einer Alkoholisierung im Straßenverkehr verwirklicht habe, was zum Deckungsschutz führen würde.
Der OGH verwies zunächst auf die ständige Rechtsprechung (RS0081099), wonach der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ so auszulegen ist, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind. Privathaftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Es genügt demnach, dass die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Hingegen darf es sich nicht um eine „ungewöhnliche Gefahr“ handeln.
Ausgehend vom vorliegenden Sachverhalt kam der OGH schließlich zum Ergebnis, dass sich keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht habe und eine Deckung daher ausscheidet. Begründet wird dies damit, dass der Versicherte eine besondere Gefahrensituation geschaffen hat, die nicht nur eine außergewöhnliche Gefahr für ihn selbst, sondern vor allem auch für andere Verkehrsteilnehmer mit sich brachte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit bestand. Im normalen Lebenslauf tritt nach Ansicht des OGH eine derartige Situation erfahrungsgemäß nicht immer wieder ein.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Von einer „Gefahr des täglichen Lebens“ im Sinne der Privathaftpflichtversicherung kann nur dann gesprochen werden, wenn es sich um eine Gefahr handelt, mit der üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss. Das ist bei einer besonderen oder außerordentlichen und ungewöhnlichen Gefahr, die nicht regelmäßig vorkommt, nicht der Fall.“
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©burdun – stock.adobe.com
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