Die Bundesarbeitskammer ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) berechtigter Verband. Der beklagte Versicherer schließt als Unternehmer regelmäßig mit Verbrauchern Reiseversicherungsverträge ab. Diesen Vertragsabschlüssen legt der Versicherer die Reiseversicherungsbedingungen „RVB 2018“ (Stornoschutz) zugrunde. Die Bundesarbeiterkammer forderte mit einer Verbandsklage vom Versicherer die Unterlassung der Verwendung der Klausel Artikel 6.1.10. der RVB 2018. (7 Ob 3/23a)
Artikel von:
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Artikel 6.1.10. der RVB 2018 lautet auszugsweise wie folgt:
„Kein Versicherungsschutz besteht für Ereignisse, die […] aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen werden“.
Im vorliegenden Fall begehrte die Bundesarbeiterkammer mit einer Verbandsklage vom Versicherer unter anderem die Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in den Versicherungsbedingungen im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern sowie die Unterlassung der Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln, soweit die Klausel bereits Inhalt von mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen geworden ist. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 19.04.2023 (GZ: 7 Ob 3/23a) zunächst aus, dass eine in Versicherungsbedingungen enthaltene Vertragsbestimmung gemäß § 6 Abs 3 KSchG unwirksam ist, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Dieses Transparenzgebot solle es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Versicherungsbedingungen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Es solle eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von Versicherungsbedingungen sicherstellen, um zu verhindern, dass der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden. Mit dem Verbandsprozess nach § 28 KSchG sollen jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position oder ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln. Dabei habe die Auslegung der Klauseln „im kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen.
Bei der vorliegenden Klausel, wonach „kein Versicherungsschutz für Ereignisse besteht, die […] aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen werden“, kam der OGH zum Ergebnis, dass für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer völlig offen bleibt, welche „Ereignisse aufgrund behördlicher Verfügungen hervorgerufen“ werden und an wen diese „behördlichen Verfügungen“ adressiert sein müssen. Die Klausel sei daher intransparent, weil der Versicherungsnehmer seine Rechtsposition nicht verlässlich abschätzen könne und damit die Gefahr bestehe, dass er aufgrund der unbestimmten Begriffe davon absehe, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen. Die Klausel verstoße daher gegen das Transparenzgebot und sei gemäß § 6 Abs 3 KSchG unzulässig. Der Versicherer wurde daher verpflichtet, die Verwendung und Anwendung dieser Klausel im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen.
Schlussfolgerung
Das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG verlangt, dass Inhalt und Tragweite von vorgefassten Versicherungsbedingungen für den (nicht unternehmerisch tätigen) Versicherungsnehmer durchschaubar sind. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann. Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt nicht eindeutig bestimmen lässt, verstoßen daher gegen das Transparenzgebot.
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