Die sogenannte Bauherrnklausel ist ein echter Klassiker unter den Risikoausschluss-Klauseln der Rechtsschutzversicherung; sie besteht in textlich praktisch unveränderter Form seit den (Muster-)ARB 1994. Demnach besteht „kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit (1) der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden, (2) der Planung derartiger Maßnahmen und (3) der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbes.
Artikel von:
Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA
Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien
Allgemeines
Die Bauherrnklausel vereint drei Tatbestände zu einem Risikoausschluss und bezweckt im Wesentlichen, die Kumulrisiken, die sich beim und im Zusammenhang mit dem Hausbau (im weiteren Sinn) auftun, vom Versicherungsschutz auszuschließen. Darüber hinaus birgt auch die Planung des Bauvorhabens und die Finanzierung erhebliches Konfliktpotenzial, sodass diese ebenfalls vom Risikoausschluss umfasst werden.
Die Judikatur betont zum Zweck des Risikoausschlusses, dass ein ganzer, durchaus überschaubarer und auch eingrenzbarer, im Grund erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Lebenssachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, der die allermeisten Versicherungsnehmer nicht, relativ wenige Bauwillige dafür mit erheblichem Kostenrisiko und in fast schon standardisierter Weise und Häufigkeit betrifft (vgl. z.B. OGH 7 Ob 41/16d; OGH 7 Ob 75/18g.).
Wie viele andere Klauseln, die Kumulrisiken vom Versicherungsschutz ausschließen wollen (z.B. Kriegsklausel, Katastrophenklausel etc.), verwendet auch die Bauherrnklausel die Umschreibung „in ursächlichem Zusammenhang mit“ (bzw. „in direktem Zusammenhang mit“ und ähnliche Formulierungen). Die Rspr. erläutert dazu, dass aber nicht jeder noch so ferne Zusammenhang ausreicht, damit die Klausel Anwendung findet:
Zunächst muss ein ursächlicher Zusammenhang im Sinne der condictio-sine-qua-non-Formel zwischen dem Neubau, der Veränderung, der Planung oder der Finanzierung und jenen rechtlichen Interessen bestehen, die der VN mit Rechtsschutzdeckung wahrnehmen will. Doch dies allein reicht nicht aus, um den Risikoausschluss anzuwenden, denn dies würde – so der OGH – zu einer sehr weiten und unangemessenen Lücke des Versicherungsschutzes führen, mit der der verständige durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht zu rechnen braucht“;
„der Risikoausschluss kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme gerade dieses Ausschlusses geführt hat, verwirklicht. Es bedarf – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegrenzung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und der vom Risikoausschluss beschriebenen Maßnahme; es muss also der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, typische Folge eines Bauvorhabens sein“ (siehe z.B. OGH 7 Ob 41/16d).
Der OGH hat im Übrigen jüngst festgehalten, dass die Bauherrnklausel einer Klauselkontrolle standhält; der Ausschluss ist weder gröblich benachteiligend, noch überraschend, noch intransparent (siehe OGH 7 Ob 172/21a = versdb 2022, 14. Bestätigend in OGH 7 Ob 31/23v).
Wie erwähnt, vereint die Klausel drei unterschiedlicher Tatbestände:
- Die Errichtungsklausel,
- den Planungsausschluss und schließlich
- die Finanzierungsklausel.
Die Errichtungsklausel
Gebäude, Gebäudeteil, …
Der erste Tatbestand der Bauherrnklausel schließt die rechtliche Interessenwahrnehmung im Zusammenhang mit der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken aus, die sich im Eigentum oder Besitz des VN befinden oder von ihm erworben werden. Die Klausel verwendet damit unterschiedliche Begrifflichkeiten, deren Bedeutung sich mitunter aus einschlägigen landesgesetzlichen Bestimmungen ergibt, zumal das Baurecht nach Artikel 15 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) in den selbständigen Wirkungsbereich der (Bundes-)Länder fällt.
Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtige Veränderung
Der Begriff „Errichtung“ wird als Neuerrichtung verstanden, also Neubau des Gebäudes oder Gebäudeteils (Zubau). Dazu zählen nach wohl herrschender Ansicht nicht nur die Errichtung des Rohbaus, sondern alle weiteren Maßnahmen, die einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang damit aufweisen, wodurch das Gebäude in seiner Gesamtheit entsteht, also etwa die für die Gebäudeerrichtung typischerweise notwendigen bzw. üblichen Arbeiten, wie Außen- und Innenputz, Leitungen, Fenster, Türen, Estrich, Malerei, geklebte Wand- und Deckenverkleidungen, geklebte Bodenbeläge etc. In der Praxis der Schadenbearbeitung sind diese Themen i.d.R. nicht besonders strittig; unterschiedliche Auffassungen zwischen VN und Rechtsschutz-VR bestehen hingegen mitunter hinsichtlich Küchen(erst)einrichtungen, Sanitär(erst)einrichtungen oder dgl., sohin bei Gewerken bzw. Tätigkeiten, die nach Ansicht des VN oft einen bloß „zufälligen“ Zusammenhang aufweisen (siehe auch Pkt. 3 – Beispiele).
Damit eine Veränderung eines bereits bestehenden Gebäudes oder Gebäudeteils vom Risikoausschluss erfasst ist, muss diese Veränderung baubehördlich genehmigungspflichtig sein. Damit sind wiederum die einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen maßgeblich, die sich im Detail durchaus voneinander unterscheiden. Die einzelnen Bauordnungen der Länder kennen nicht nur genehmigungspflichtige Veränderungen, sondern regelmäßig auch anzeigepflichtige Veränderungen (z.B. vor Baubeginn) bzw. meldepflichtige Veränderungen (z.B. innerhalb einer gewissen Frist nach Fertigstellung). Darüber hinaus existieren regelmäßig auch landesspezifische Regelungen, wonach bestimmte bauliche Veränderungen weder genehmigungs- noch anzeige- bzw. meldepflichtig oder dgl sind.
Vom gegenständlichen Risikoausschluss ist ausschließlich die Wahrnehmung rechtlicher Interessen jener baulichen Veränderungen umfasst, die eine Baubewilligung notwendig machen – und zwar unabhängig davon, ob zur Erlangung der Bewilligung ein ordentliches Verfahren oder ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt wird. Bloß anzeigepflichtige, meldepflichtige oder freie bauliche Veränderungen werden hingegen vom Risikoausschluss nicht tangiert.
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