Während eines schweren Sturms droht ein Baum auf das Haus eines Wieners zu stürzen. Die Feuerwehr kann den Schaden noch rechtzeitig abwehren. Nun weigert sich die Eigenheimversicherung, die Kosten dafür zu ersetzen. Mit der strittigen Auslegung der Rettungskosten-Klausel hat sich die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle im Fachverband der Versicherungsmakler (RSS) zu befassen.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 13.11.2017
Ende November 2015 fegte ein schwerer Sturm über Österreich. Am 30. 11. verständigte der in Wien lebende Kunde einen zertifizierten Baumkontrolleur, dass sich eine Linde im Sturm massiv gegen sein Haus bewegte. Am nächsten Vormittag – nach wie vor gab es orkanartige Sturmböen – besichtigte der Sachverständige den Baum und stellte fest, dass die Baumwurzel schon gebrochen war, sich der Baum stark neigte und sich die gebrochene Wurzel durch die anhaltende Sturmböen erheblich bewegte. Aufgrund der hohen Gefahr ordnete der Experte an, die Feuerwehr zu verständigen, die den Baum bis auf Höhe der Regenrinne kürzen sollte.
Kunde zur Abwendung oder Milderung des Schadens verpflichtet
Das Magistrat der Stadt Wien stellte für die Arbeiten der Berufsfeuerwehr nun eine Kostenrechnung von rund 4.000 Euro aus. Der Versicherer lehnte die Deckung mit der Begründung ab, Schadensverhütungskosten seien nicht versichert. Damit sei die vorbeugende Abtragung eines Baumes nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die RSS weist auf § 62 f VersVG hin, wonach der Versicherungsnehmer für eine Abwendung oder Minderung des Schadens zu sorgen hat. Im vorliegenden Fall ist dies in den Bedingungen folgendermaßen geregelt:
„Nebenkosten“ sind laut Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB) „Kosten für Maßnahmen, auch für erfolglose, die der Versicherungsnehmer bei einem Schadenereignis zur Abwendung oder Minderung des Schadens für notwendig halten durfte, oder Kosten, die als Folge eines versicherten Schadenereignisses entstehen.“ Solche Aufwendungen hat der Versicherer laut Artikel 6.1 der Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (EABS) zu ersetzen. „Darunter fallen aber nicht Aufwendungen, die durch Gesundheitsschädigungen bei Erfüllung der Rettungspflicht verursacht wurden. Auch für Leistungen der im öffentlichen Interesse stehenden Feuerwehren oder anderer zur Hilfe Verpflichteter wird kein Ersatz gewährt.“
Feuerwehr „im privatrechtlichen Interesse“ gehandelt
Die Schlichtungskommission geht „aufgrund des unstrittigen Sachverhaltes“ davon aus, dass der Versicherungsfall bei Beauftragung der Feuerwehr bereits unmittelbar bevorstand. Es habe berechtigte Gefahr für Leib, Leben und Eigentum bestanden. Der Ersatz von Rettungskosten ist in § 63 VersVG geregelt, kann aber vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.
Aus Sicht der RSS könne der Versicherung nicht beigepflichtet werden, denn im vorliegenden Fall forderte die Stadt Wien die Zahlung aus dem Titel der Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall. Daraus gehe deutlich hervor, dass sie nicht im öffentlichen, sondern im privatrechtlichen Interesse des Kunden tätig war. Die Einschränkung des Ersatzes von Rettungskosten greife daher nicht.
Vielmehr seien die Kosten so zu ersetzen, als hätte der Kunde einen privaten Dritten beauftragt, für die Abwehrung des Schadens zu sorgen. Die Schlichtungskommission empfahl daher die Deckung, merke aber auch an, dass es zu diesem Sachverhalt und zur Auslegung der konkreten Klausel keine unmittelbar verwertbare Rechtsprechung gebe. In einem streitigen Verfahren könnten die Gerichte also zu einer anderen Schlussfolgerung kommen.
Quelle: RSS/Fachverband der Versicherungsmakler
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