Zur Privathaftpflichtversicherung sind über die Jahrzehnte unzählige OGH Entscheidungen ergangen, die sich mit den in der Privathaftpflichtversicherung versicherten Gefahren des täglichen Lebens befassten. Was der Begriff „Gefahren des täglichen Lebens“ genau bedeutet und welche Entscheidungen dazu der OGH traf, beantwortet Christian Grünsteidl, ÖVM Landesvorsitzender OÖ. in nachfolgendem Beitrag.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 29.06.2022
Von Christian Grünsteidl, ÖVM Landesvorsitzender OÖ
Der Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss.
Deckung für Bosheitsakte verwehrt
Für von vornherein geplante Bosheitsakte, für die es außer der Lust am Zerstören oder am Verletzen keine Motivation gibt, wurde auch schon in älteren Entscheidungen des OGH die Deckung verwehrt. Wenn der Versicherungsnehmer die Schadenszufügung von vornherein plant, handelt es sich nicht mehr um einen „Ausrutscher eines Durchschnittsmenschen“, sondern um einen mehr oder weniger gefährlichen Bosheitsakt, und zwar auch dann, wenn der eingetretene Erfolg weit über seine Erwartungen hinausgeht. Solche Schadenszufügungen sollen auch nicht vom versicherten Risiko umfasst sein.
Ob den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmern aber so klar ist, was vom Begriff „Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr der betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit“ noch umfasst ist und was nicht mehr, wage ich zu bezweifeln.
Bedingungsgemäße Begrenzung fehlt in österreichischen Bedingungen
Anders als in Deutschland, wo ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung als negative Risikobeschreibung die Gefahren des täglichen Lebens bedingungsgemäß begrenzen, fehlt in österreichischen Bedingungen diese Ergänzung. Dies wird bei uns im Wege der Einzelfallbetrachtung im Deckungsprozess entsprechend korrigiert. Während deutsche Gerichte der Ansicht sind, dass ein einzelnes Tun nicht unter diese Einschränkung fällt, reicht das unseren Gerichten oft aus, um die Deckung zu verwehren.
Strengere Vorgangsweise macht den Versicherungsschutz unberechenbar
Auch wenn die zu Ungunsten der Versicherten entschiedenen Fälle oft mehr als grenzwertig sind, macht diese strengere Vorgangsweise den Versicherungsschutz unberechenbar mit unter Umständen fatalen Folgen für die Schädiger und die Geschädigten. Ob der eine oder andere mutige Versicherer in neuen Bedingungen den Vorsatzausschluss streicht, bleibt noch abzuwarten.
Natürlich ist es der Bedingungslage geschuldet, aber es ist meines Erachtens trotzdem mehr als fragwürdig, warum ein alkoholisierter PKW-Lenker im Schadenfall (auch wenn er das Licht beim Fahren nicht aufdreht) bei seiner Kfz-Haftpflichtversicherung mit einem „Selbstbehalt“ von nur 11.000 Euro davonkommt. Sofern ihm nicht ohnehin der Kausalitätsgegenbeweis gelingt. Während ein Radfahrer, der das Auto zu Hause stehen lässt, gar keinen Versicherungsschutz aus seiner Privathaftpflichtversicherung erhält, wenn er alkoholisiert nach Hause fährt (7 Ob 7/22p).
Möglicherweise ist es so auch nur eine Frage der Zeit, bis der erste Skifahrer nach dem Apres Ski sein blaues Wunder mit seiner Privathaftpflichtversicherung erlebt. Unklar bleibt auch, was z. B. eine Wasserbombenschleuder um so viel gefährlicher macht (7 Ob13/18i), als ein von einem Hobbyfahrer gelenktes 250 km/h schnelles Motorrad (7 Ob 192/16k).
Vielleicht ist die Situation in der Privathaftpflichtversicherung auch dem Umstand geschuldet, dass diese in Österreich ein Schattendasein als Beiwerk zur Haushaltsversicherung führt und ihr so bisher wenig Beachtung geschenkt wurde. Es ist meiner Meinung nach an der Zeit diese Sparte ihrer Bedeutung entsprechend aus dieser Kombination zu entlassen und mit eigenen Vertragswerken für mehr Klarheit und Rechtssicherheit für alle zu sorgen.
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Foto oben: Christian Grünsteidl, ÖVM Landesvorsitzender OÖ
Titelbild: © photoschmidt – stock.adobe.com
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