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Unfallversicherung: Das „plötzlich“ eingetretene Unfallereignis

Unfallversicherung: Das „plötzlich“ eingetretene Unfallereignis

03. Februar 2021

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4 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Ein Tourengeher hat beim Wandern an den Zehen Erfrierungen erlitten. Die Unfallversicherung lehnte jedoch eine Deckung mit der Begründung ab, dass kein „plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis)“ vorliegt. Der Versicherungsnehmer reichte Klage ein.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 03.02.2021

Was ist passiert?

Ein Tourengeher hat während eines Aufstiegs auf einen über 4000 m hohen Berg in der Schweiz an den Zehen Erfrierungen zweiten und dritten Grades erlitten. An den Großzehen blieb ein dauerhafter Schaden in Form von Taubheitsgefühlen und Sensibilitätsstörungen. Während des Anstiegs herrschten nicht ungewöhnliche stürmische Böen von bis zu 77 bis 88 km/h. Die Außentemperaturen lagen bei ebenfalls nicht ungewöhnlichen minus 10 bis minus 12 Grad und die Oberfläche war eisig. Nachdem für den Tourengeher ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung vorlag, begehrte dieser für die erlittenen Dauerschäden die vereinbarte Versicherungsleistung. Die Unfallversicherung lehnte jedoch die Deckung mit der Begründung ab, dass kein „plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis)“ vorliegt, weshalb der Versicherungsnehmer Klage gegen die Unfallversicherung einreichte.

Wie ist die Rechtslage?

Dem streitgegenständlichen Unfallversicherungsvertrag lagen die „Klipp und Klar Bedingungen für die Unfallversicherung 2010“ zugrunde. Darin lautet Artikel 6.1 wie folgt: „Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.“ Im Rechtsstreit mit der Versicherung ging es insbesondere um die Frage, ob die im Zuge des Aufstieges erlittenen Erfrierungen ein „plötzlich“ eintretendes Ereignis darstellen. Aus Sicht des Tourengehers war es subjektiv nicht vorhersehbar, dass die relativ kalten Außentemperaturen, der stürmische Wind und die Eisoberfläche gleichzeitig eintreten, weshalb die Erfrierungen für ihn auf ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis zurückzuführen waren. Aus Sicht der Versicherung trat die (vorhersehbare) Erfrierung eben nicht „plötzlich“, sondern vielmehr allmählich ein.

Nachdem bereits das Erstgericht die Klage gegen die Versicherung abwies und das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, kam schlussendlich auch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 79/16 t zum Ergebnis, dass bei den eingetretenen Erfrierungen weder von „Plötzlichkeit“, noch von einem Unfallgeschehen gesprochen werden kann. In der Begründung hat der OGH klargestellt, dass sich der Begriff der „Plötzlichkeit“ in Art. 6.1 der Versicherungsbedingungen nur auf das von außen auf den Körper wirkende Ereignis bezieht, nicht jedoch auf die Unfallfolge (Erfrierung) selbst. Außerdem gehöre zum Begriff des Unfalls auch der Moment des Unerwarteten und des Unentrinnbaren. „Plötzlich“ seien zwangslos alle Ereignisse, die sich in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet ereignen. Es können aber auch allmählich eintretende Ereignisse nach Ansicht des OGH unter den Begriff fallen, wenn sie nur für den Versicherungsnehmer unerwartet und unvorhergesehen waren. Ein Unfallereignis liegt demnach nur dann vor, wenn objektiv für den betroffenen Versicherungsnehmer kein Grund bestand, mit den konkret eingetretenen Umständen zu rechnen, er also vom Ereignis überrascht wurde und ihnen nicht entgehen konnte. Dies sei nach Ansicht des OGH bei den durch Witterungs- und Umwelteinflüssen bedingten Erfrierungen nicht der Fall (7 Ob 79/16 t; RS0131133).

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung zum Unfallbegriff und von der Entscheidung 7 Ob 79/16 t liegt ein Unfallereignis nur dann vor, wenn der betroffene Versicherungsnehmer mit den Umständen nicht rechnen konnte, er davon überrascht wurde und er ihnen auch nicht entgehen konnte. Nur in diesem Fall könnten auch „allmählich eintretende Ereignisse“ den Begriff der „Plötzlichkeit“ im Sinne der Versicherungsbedingungen erfüllen.

Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Titelbild: © MUMEMORIES

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