Der Kunde 4.0 will nichts mehr „verkauft bekommen“, sondern selbst aktiv werden. Tipps von Roland M. Löscher, Experte zur Steigerung der Sales und Personal Performance, sollen helfen, die Herausforderung in Chancen umzuwandeln und Verkaufserfolge viel effektiver erzielen zu können.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 02.02.2018
von Roland M. Löscher*
Der Kunde ist anspruchsvoller, besser informiert, vorsichtiger und will nichts verkauft bekommen. Er will kaufen! Doch lernen und praktizieren (zu) viele Verkäufer immer noch das „Verkaufen“. Mit „Verkaufen“ ist gemeint, den Kunden davon überzeugen zu wollen, dass er ein Produkt wie beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung zur Arbeitskraftabsicherung unbedingt braucht. In der Vorgehensweise, in der Haltung zum Kunden und in der Kommunikation mit dem Kunden ist das ein Widerspruch: Der Verkäufer will verkaufen und der Kunde nichts verkauft bekommen.
Die Lösung ist einfach: „Kaufen lassen“ bedeutet, dass der Verkäufer ein Verkaufsgespräch aus der Position des Kunden führt. Er ermöglicht es, dass der Kunde die Lösung und das Angebot des Verkäufers haben (kaufen) will. Daher führt er einen Beratungs-, Führungs- und Coaching-Prozess zum Kauf des Kunden. Der Kunde verkauft sich dabei die Lösung und deren Nutzen quasi selbst, durch einen vom Verkäufer gezielt geführten Wechsel zwischen Fragen, Beratung und Coaching. Verkaufsprozesse werden so zu KAUFprozessen. Das ist Verkauf 4.0.
Verkauf 4.0 macht Veränderungen erforderlich
Den ersten und wichtigsten Schritt macht der Verkäufer mit einer Änderung in seiner inneren Einstellung und Haltung zum Kunden. So verlässt der Verkäufer 4.0 die Bittsteller-Haltung und praktiziert die Möglich-Macher-Haltung. Dieser Verkäufer will nichts vom Kunden, zum Beispiel einen Abschluss, sondern er verhilft ihm zu etwas Wertvollem. Er ermöglicht dem Kunden, etwas „zu haben, zu tun oder zu sein“, zum Beispiel ein Gefühl von Sicherheit, Absicherung der Familie, Anerkennung von Kollegen und Freunden, Einsparungen bei Tarifen usw.
Der zweite Schritt ist eine Änderung in der Fragetechnik. Wer die Lösung und sein Angebot zu früh präsentiert, kann es nicht in die Welt des Kunden platzieren und riskiert ein Nein. Die Abschlussquote lässt sich steigern, indem der Verkäufer den Kunden selbst erkennen lässt, welchen Nutzen und Mehrwert ihm seine Lösung und das Angebot bieten. In den meisten Verkaufsgesprächen werden die Produkte viel zu früh präsentiert, ohne die sachliche, soziale und emotionale Welt des Kunden wirklich zu verstehen. Das Produkt wird so nicht passgenau in die Welt des Kunden platziert.
Wie die Fragetechnik 4.0 funktioniert
1. Situationsfragen – Die Welt des Kunden verstehen
Sie sind notwendig, damit der Verkäufer die wichtigsten Fakten und Hintergründe zum Kunden kennt. In der Finanz- und Versicherungsbranche ist eine umfassende Analyse des Kunden und seines Bedarfs vorgeschrieben und daher soll hier nicht näher darauf eingegangen werden.
2. Stärken- und Problemfragen – „Was er liebt und woran er leidet“
Verkäufer, die VALUE SELLING einsetzen, arbeiten mit dem Kunden zunächst die Stärken heraus, die er mit dem aktuellen Produkt und mit seinem aktuellen Berater hat. Stärkenfragen ergeben wertvollere Informationen als nur Situationsfragen. Das, was der Kunde auf die Stärkenfragen antwortet, will er auch zukünftig haben. Problemfragen erhöhen sein Problembewusstsein. Nachdem der Kunde seine Problematik geschildert hat, ist die Versuchung für die meisten Verkäufer unwiderstehlich, jetzt ihr Produkt oder Konzept zu präsentieren. Tun Sie das nicht! Wer es schafft, hier zu widerstehen, fokussiert zu bleiben und die nachfolgenden Konsequenzfragen zu stellen, wird reichlich belohnt werden.
Je mehr der Kunde spricht (indem er Ihre Fragen beantwortet), umso schneller kommt er selbst auf den zentralen Punkt seiner Problematik und umso leichter findet er auch selbst die Lösung. Gegen das, was er (sich) selbst gesagt hat, wird er anschließend nichts mehr einzuwenden haben. Es gilt: „Ein Kunde widerspricht vielleicht Ihnen, aber nicht sich selbst!“
3. Konsequenzfragen – Die Folgeschmerzen von „Nicht-Handeln“
Nachdem der Kunde die Probleme geschildert hat, fragt der geschulte Verkäufer jetzt noch tiefer: „Was könnte geschehen, wenn Sie nicht handeln?“ Meist ist dem Kunden selbst noch nicht in allen Details klar, welche Auswirkungen das Problem und vor allem das „Nicht-Handeln“ tatsächlich für ihn und seine Familie haben können. Konsequenzfragen lassen ihn den Schmerz, wenn er nicht handelt, und die Dringlichkeit selbst erkennen und fühlen. Eine wichtige Voraussetzung für seine Entscheidung und den Wert der Lösung.
4. Wert-Fragen – Der Kunde verkauft sich die Lösung selbst
Im Verkauf 4.0 wird der Verkäufer den Kunden nach dem Wert fragen, den sein Angebot für ihn hat. Er führt in dahin, dass er selbst den Wert erkennt und über den konkreten persönlichen Nutzen spricht und sich auf diese Weise die Lösung selbst verkauft. Dieser Punkt ist auch von großem Vorteil, wenn der Kunde seine Kaufentscheidung später gegenüber einem Familienmitglied, Vorgesetzten oder Kollegen begründen muss. Während er Ihre Fragen beantwortet, „übt“ er schon jetzt den Überzeugungsprozess und legt sich seine persönlichen Argumente zurecht. Eine Kaufreue wird dadurch vermieden und die Stornogefahr sinkt. Somit steht dem erfolgreichen Kaufabschluss nichts mehr im Wege: Der Kunde kauft.
*gekürzte Fassung
Quelle: AssCompact Deutschland
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