Der OGH musste die Frage klären, ob der Rücktritt vom Versicherungsvertrag seitens einer Versicherung aufgrund einer verschwiegenen Vorerkrankung des Versicherungsnehmers rechtens war, obwohl sich später herausstellte, dass es sich bei der diagnostizierten Vorerkrankung um eine Fehldiagnose handelte.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 25.10.2021
Was ist passiert?
Eine Versicherungsnehmerin hatte im Jahre 2013 eine Totgeburt. Aus labortechnischer Sicht bestand der Verdacht auf das Vorliegen eines Antiphospholipidsyndroms, was der Versicherungsnehmerin auch mitgeteilt worden ist. Für sie bedeutete dies, dass sie im Falle einer weiteren Schwangerschaft Thrombosespritzen und Blutverdünner nehmen müsste. Die Klägerin ging aufgrund dieser Informationen davon aus, dass sie das diagnostizierte Antiphospholipidsyndrom auch hat. Im Jahre 2015 beantragte die Versicherungsnehmerin bei der beklagten Versicherung den Abschluss einer Krankenzusatzversicherung. Im Rahmen des Vertragsabschlusses wurden der Versicherungsnehmerin zahlreiche Fragen zur Gesundheit und zu etwaigen Vorerkrankungen gestellt, unter anderem auch zu Erkrankungen des Blutes. Dabei verschwieg sie die vorhin erwähnte Diagnose. Im Zuge der Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen nach einer Meniskusoperation der Versicherungsnehmerin erhielt die Versicherung Kenntnis von der zum Zeitpunkt der Antragstellung diagnostizierten Thrombophilieerkrankung. Daraufhin erklärte die Versicherung gemäß § 16 VersVG den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Später stellte sich heraus, dass bei der Versicherungsnehmerin das diagnostizierte Antiphospholipidsyndrom tatsächlich nicht vorgelegen hatte. Der OGH (7 Ob 91/21i), musste nunmehr die Frage beantworten, ob der Vertragsrücktritt zu Recht erfolgt ist
Wie ist die Rechtslage?
Nach Ansicht des OGH bezieht sich § 16 VersVG auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem Gefahrenumstand zum Zeitpunkt der Beantwortung des Fragebogens. Wurde demnach einem Versicherungsnehmer vor diesem Zeitpunkt aufgrund ärztlicher Einschätzung eine Diagnose gestellt, so muss er diese beim Versicherer auch anzeigen. Unerheblich ist dabei, dass sich, wie im vorliegenden Fall, die Diagnose zeitlich betrachtet nach dem Vertragsschluss mit dem Versicherer als unrichtig herausstellt.
Schlussfolgerung
Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Verschweigt ein Versicherungsnehmer dem Versicherer etwaige Vorerkrankungen, hat dieser das Recht vom Vertrag zurückzutreten, unabhängig davon, ob vermeintliche Krankheiten verschwiegen werden, bei denen es sich im Nachhinein ohnehin um eine ärztliche Fehldiagnose handelt. Für Versicherungsnehmer ist es aus diesem Grund von besonderer Relevanz, dem Versicherer sämtliche Vorerkrankungen, die von einem Arzt bis zum Vertragsabschluss diagnostiziert wurden, mitzuteilen. Andernfalls besteht ein großes Risiko, dass die Versicherung vom Vertrag zurücktritt.“
Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Titelbild: ©jirsak – stock.adobe.com
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