Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigte sich wieder einmal mit der zeitlichen Einordnung des Versicherungsfalles in der Rechtsschutzversicherung (OGH 7 Ob 36/18x, versdb 2018, 33). Konkret ging es darum, was als „Verstoß“ im Sinne der Bedingungen anzusehen ist und wann somit der Versicherungsfall eingetreten ist.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 09.08.2018
Von Ewald Maitz, MLS
Im Juli 2014 schloss die Klägerin einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 200.000 Euro für die Absicherung eines Kredites ab. Versicherte Person war der Ehemann der Klägerin. Am 07.05.2015 nahm sich der Ehemann der Klägerin das Leben. Der Rechtsschutzversicherungsvertrag wurde mit 13.05.2015 storniert. Der Lebensversicherer verweigerte bereits nach Ende des Rechtsschutzversicherungsvertrages die Auszahlung der Versicherungssumme aus dem Lebensversicherungsvertrag mit der Begründung, dass die vorvertragliche Anzeigepflicht bei Abschluss der Lebensversicherung verletzt wurde.
Es stellte sich nun die Frage, ob die Ablehnung durch den Versicherer oder die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht der relevante Verstoß und somit der Versicherungsfall ist. Entscheidend war die Frage deshalb, weil ersteres erst nach Ende der Rechtsschutzversicherung, die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht aber während der Laufzeit der Rechtsschutzversicherung erfolgte.
Behaupteter Verstoß
Für die Beurteilung der Gewährung von Versicherungsschutz ist allein entscheidend, ob die Behauptung des Gegners des Versicherungsnehmers Grundlage der außergerichtlichen Auseinandersetzung oder des Prozesses wird. Ist dies der Fall, dann gilt der Versicherungsfall im Zeitpunkt des (vom Gegner des Versicherungsnehmers behaupteten) Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten. Im entschiedenen Fall ist der relevante Verstoß daher die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Der Versicherer musste also Deckung gewähren.
Was ist noch entscheidend?
Ein Versicherungsfall nach den ARB liegt dann vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden.
Oft wird auch behauptet, dass jedenfalls Versicherungsschutz besteht, wenn der Verstoß noch innerhalb der Nachhaftungszeit (Nachmeldefrist) erfolgt. Diese Ansicht ist allerdings nicht korrekt. Der Verstoß muss jedenfalls im versicherten Zeitraum liegen, lediglich die Meldung des Versicherungsfalles beim Versicherer muss vor Ende der Nachmeldefrist erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass es auch schon Entscheidungen des OGH gibt, die besagen, dass bei einer Meldung des Schadens nach Ende der Nachmeldefrist unter bestimmten Voraussetzungen der Versicherer noch deckungspflichtig ist.
Fazit
Für die zeitliche Einordnung des Versicherungsfalles (Verstoß) ist maßgeblich, wann der Versicherungsnehmer oder der Gegner behauptetermaßen beginnt oder begonnen hat, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es kommt nicht auf die Kenntniserlangung durch den Versicherungsnehmer oder auf den Zeitpunkt der Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen an. Eine Meldung des Versicherungsfalles nach Ende des Versicherungsvertrages kann nur dann zur Leistungsverpflichtung des Rechtsschutzversicherers führen, wenn der tatsächliche oder behauptete Verstoß im Zeitraum des aufrechten Versicherungsvertrages liegt.
Der Artikel erscheint auch in der AssCompact August-Ausgabe.
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