Im Urteil C-633/20 vom 29.09.2022 hält der EuGH fest, dass unter dem Begriff des Versicherungsvermittlers auch eine juristische Person oder natürliche Person fällt, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer von ihr vorab mit einer Versicherung abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, für die sie von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen berechtigt.
Artikel von:
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Ausgangslage war also eine Situation, in der die sogenannte Gruppenversicherungsspitze selbst über keine gewerberechtliche Konzession zur Versicherungsvermittlung verfügte und rechtlich die Meinung vertrat, dass dies nicht notwendig sei, da sie 1. keine Versicherungsverträge vermittle, sondern lediglich den Beitritt zu einer von ihr vorab geschlossenen Gruppenversicherung und 2. selbst Partei das Versicherungsvertrages sei und sich die Eigenschaft als Versicherungsvermittler und als gleichzeitige Partei dieser Versicherung gegenseitig ausschließt.
Der EuGH führte jedoch aus, dass solch eine Gruppenversicherungsspitze als Versicherungsvermittler einzustufen ist, sofern Entgeltlichkeit vorliegt, und dass die vom Beklagten vorgebrachten Argumente dieser gesetzlichen Einstufung nicht wiedersprechen. Entgeltlichkeit ist also eine wesentliche Voraussetzung für die vom EuGH getroffene Einstufung. Laut EuGH umfasst der Vergütungsbegriff gemäß Art 1 Abs 1 Nr. 9 der IDD-RL alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nicht finanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden. Dementsprechend sei es im vorliegenden Fall unerheblich, dass die Zahlung bei jedem Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag von den beitretenden Mitgliedern an die juristische Person (als VN) geleistet wird und nicht vom Versicherer in Form zB einer Provision. Das Tatbestandsmerkmal der Vergütung ist gemäß EuGH als erfüllt anzusehen, wenn die Mitgliedschaft eines Kunden der juristischen Person, die den Gruppenversicherungsvertrag mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat und in diesem Rahmen Versicherungsbeiträge an sie entrichtet, zu einer Zahlung an diese juristische Person führt. Die Aussicht auf diese Vergütung stelle ein eigenes wirtschaftliches Interesse dar, das sich von dem Interesse der Mitglieder an der Erlangung des sich aus dem betreffenden Vertrag ergebenden Versicherungsschutzes unterscheide und geeignet sei, sie zu veranlassen, auf eine große Zahl von Vertragsbeitritten hinzuwirken (Rz 41-42).
Was wäre die Rechtsfolge?
Sofern ein Anbieter von Gruppenversicherungen (z.B. also ein Arbeitgeber, der dies für seine Arbeitnehmer tut) also bisher noch über keine entsprechende gewerberechtliche Genehmigung verfügt, muss er diese erlangen, und allen notwendigen Informations-, Offenlegungspflichten und Weiterbildungsverpflichtungen nachkommen.
Schlussfolgerung
Aufgrund dieser Entscheidung besteht aktuell in zahleichen Einzelfällen von Gruppenversicherungen Prüfungsbedarf. Oft wird sich im Zuge solcher Prüfungen die Frage stellen, ob Gruppenversicherungen tatsächlich entgeltlich angeboten werden und/oder möglicherweise Ausnahmetatbestände nach der GewO vorliegen. Das EuGH Urteil C-633/20 macht also nicht alle Anbieter von Gruppenversicherern automatisch zu Versicherungsvermittlern mit den entsprechenden Folgen und zerstört auch nicht automatisch jedes damit im Zusammenhang stehende Versicherungsmodell. Die Experten von Weinrauch Rechtsanwälte GmbH unterstützen Sie gerne bei Fragen zum EuGH Urteil C-633/20.
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