Finanzkrise, Solvency II, Niedrigzinsen: Was die österreichische Versicherungswirtschaft in den letzten Jahren bewältigen musste, hatte es in sich. Was nun vor allem mit der IDD-Umsetzung auf die Branche zukommt, diskutierte ein hochkarätiges Podium gestern auf Einladung des Finanz Marketing-Verbands (FMVÖ).
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 28.09.2017
In den Räumlichkeiten der Österreichischen Nationalbank diskutierten unter der Moderation von Dr. Eric Frey (Der Standard) Mag. Helmut Ettl (Vorstand der Finanzmarktaufsicht), Mag. Dr. Othmar Ederer (Vorstandsvorsitzender der GRAWE und VVO-Präsident), Mag. Liane Hirner (PwC Österreich), Alfred Leu (Vorstandsvorsitzender der Generali) und Univ. Prof. Dr Ewald Nowotny (Gouverneur, Österreichische Nationalbank).
IDD als Chance für Reputation
„Die Zahlen in der Versicherungswirtschaft sind gut! Die Eigenmittelausstattung ist hoch und auch die Ertragssituation hat sich gut entwickelt“, eröffnete Helmut Ettl in seiner Impulspräsentation. Die Umsetzung von Solvency II sei gut erfolgt. Auf die Frage, ob durch die IDD nun alles bürokratischer wird, meint Alfred Leu: „ Es ist nicht alles neu, was wir da tun. Durch die IDD wird die Administration vertieft, aber sie birgt auch eine große Chance hinsichtlich der Reputation.“
Auch Liane Hirner bestätigte, dass in der Branche enorme Kraftanstrengungen in Solvency II geflossen seien und man daher ein positives Zeugnis ausstellen könne. Zur Regulierung gäbe es allerdings Ansätze, wo den Versicherungen das Leben erleichtert werden könnte: „Gold Plating, also abweichende Regelungen durch die staatliche Regulierung, die schärfer sind als der Konsens der 28 EU-Staaten, ist nicht notwendig. Ebenso könnte man die Verzahnung mit bestehenden Gesetzen optimieren, indem bestehende Regulierungen durchforstet werden.“ Das würde mehr Rechtssicherheit und Transparenz für alle bringen.
Bei Konsumentenschutz „nicht in Extreme kommen“
Versicherungen seien ein wichtiger Teil der Finanz- und Volkswirtschaft, betont Ewald Nowotny. Was Versicherer aufgrund ihrer langfristigen Ausrichtungen allerdings benötigen würden, sei Stabilität. Massive Dynamik und Unruhen machten es schwer, langfristige Verhältnisse daran anzupassen. Rückwirkend eingeführte Regelungen – wie das unbefristete Rücktrittsrecht von Lebensversicherungen bei mangelhafter Belehrung – und willkürliche Entwicklungen seien abzulehnen. Daher sei auch die aktuelle Gesetzesänderung der Regierung in diesem Bereich zu begrüßen: „Konsumentenschutz ist ein hohes Gut. Man muss aber schon aufpassen hier nicht in Extreme zu kommen, die erhebliche gesamtwirtschaftliche Folgen haben.“
Digitalisierung in der Kundenbetreuung
Jetzt geht es vor allem darum, wie es gelingen kann, für die Zukunft die richtigen Geschäftsmodelle zu finden, um zu überleben. Stichworte wie Digitalisierung, Big Data und künstliche Intelligenz untermauern, dass sich die Versicherungen mitten in Märkten und neuen Konkurrenzumfeldern befinden, die sich rasant verändern. „Die Entwicklung der Technologie ist schnell. Tatsache ist, dass wir zum Kunden gehen und er entscheiden kann auf welche Art und Weise er mit uns kommunizieren will“, sagt Othmar Ederer. Und Alfred Leu fügt hinzu: „In diesem Prozess ist eine gewaltige Reform unterwegs. Wir nützen zu 93% weniger Papier.“
Wer sich durchsetzen wird, ist offen
Die neuen Regularien wie IDD würden, so Helmut Ettl, zu einer Standardisierung der Produkte führen und die Digitalisierung die Vertriebswege verändern. Beides würde die Situation für Neueinsteiger begünstigen, die damit relativ leicht in den österreichischen Markt eindringen könnten. „Kreativere Lösungen sind eine Möglichkeit und man muss daher in neuen Kategorien denken um weiterzukommen.“ Hinsichtlich der Zukunft der Versicherungsbranche prognostiziert er mehr Vielfalt und Konkurrenz. „Im österreichischen Markt ging es lange Zeit sehr traditionell zu. Wer sich künftig durchsetzen wird, ist ergebnisoffen.“
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