Was aktuell die größten Herausforderungen im Bereich der Betrieblichen Altersvorsorge sind, besprechen Marga Derstroff (Head of Life bei der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft), Patrick Gremlica (Head of Broker Sales bei der Allianz Elementar Versicherungs-AG) und Christian Schuster (Leitung Betriebliche Altersvorsorge bei der Wiener Städtischen Versicherung) in einer spannenden Interviewrunde zum Thema „Betriebliche Altersvorsorge“.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 14.11.2023
Marga Derstroff sieht weniger die Herausforderungen als viel mehr die Chancen, die eine Betriebliche Altersvorsorge bietet: „Denn das staatliche Pensionssystem ist unter Druck. Bei den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre steht eine Pensionierungswelle bevor. Das bietet uns großartige Gelegenheiten, die Betriebliche Altersvorsorge als 2. Säule zu stärken. Denn eines ist klar: Ohne zusätzliche Vorsorge werden die Menschen in Österreich ihren Lebensstandard im Alter nicht halten können. Für Unternehmen bietet die BAV ein großes Asset im aktuell heiß umkämpften Arbeitsmarkt. Eine Aufgabe in diesem Zusammenhang wird sein, den Bedürfnissen der Arbeitnehmer gerecht zu werden. Hier braucht es innovative und flexible Lösungen auf digitaler Basis, die Arbeitgebern, Begünstigten und uns als Versicherern die Abwicklung und den Datenaustausch erleichtern. Eine weitere Herausforderung ist die Regulatorik. Die BAV unterliegt einer Vielzahl von steuerlichen, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen sowie bilanziellen Anforderungen. Dabei bewegen wir uns in einem dynamischen Umfeld. Speziell die letzten drei Jahren haben uns gezeigt, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern können.“
Bedingt durch die demographische Entwicklung steige laut Patrick Gremlica der Bedarf an Altersvorsorge bei Arbeitnehmer:innen (und besonders bei Selbständigen) immer mehr. Zudem sei es immer mehr notwendig, qualifizierten Mitarbeiter:innen „mehr als nur Gehalt“ zu bieten. „Andererseits erhöht sich auch die Kostenbelastung der Unternehmen durch explodierende Energiepreise und derzeit enorm steigenden Gehaltskosten inkl. aller Lohnnebenkosten. Deshalb sind keine Standard-Angebote gefragt, sondern wirkliche individuelle Lösungen, mit aus dem ‚BAV-Baukasten‘ zusammengestellten Vorsorgemodellen.“
Christian Schuster ist der Meinung, dass es in Österreich nur sehr eingeschränkt möglich sei, Bruttogehalt in Betriebliche Vorsorge umzuwandeln. Eine Gehaltsumwandlung sei derzeit, ohne gleichzeitig auf staatliche Pension zu verzichten, nur im Rahmen der Zukunftssicherung ( §3 Abs. 1. Zi 15 lit. a.) möglich. „Daraus kann allerdings keine echte Zusatzpension resultieren, denn 300 Euro im Jahr sind viel zu wenig. Wünschenswert wäre eine Gesetzesänderung analog Deutschland: So könnten höhere Beträge veranlagt werden und die Versteuerung würde erst in der Pensionsphase – und damit in einer niedrigeren Progressionsstufe – stattfinden. In vielen europäischen Ländern haben Mitarbeiter sogar das Recht, von ihrem Dienstgeber zu verlangen, dass Gehaltsbestandteile für ihre Altersvorsorge verwendet werden. Wenn der Gesetzgeber das auch in Österreich ermöglichen würde, würde das wirklich etwas auf dem Sektor bewegen!“
BAV als Anreiz zur Mitarbeiterfindung
Die betriebliche Altersvorsorge wird von vielen größeren Unternehmen als Anreiz geboten um qualifiziertes Personal zu finden. Doch auch das Interesse von Einzelunternehmern und mittleren Unternehmen nimmt laut Marga Derstroff zu: „Im Gegensatz zu früher, wo die BAV nur für größere Betriebe attraktiv war, hat sich das in den letzten Jahren stark geändert. Das Bewusstsein für die Altersvorsorge wächst – sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Arbeitnehmerinnen und -nehmern. Viele kennen inzwischen die Vorteile der Betrieblichen Vorsorge, etwa die steuerlichen Vorteile und die günstigen Konditionen einer BAV-Gruppenversicherung. Das hilft besonders jetzt, wo am Arbeitsmarkt ein intensiver Wettbewerb um qualifiziertes Personal herrscht. Hier bietet die BAV eine attraktive Möglichkeit, um Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden.“
Auch Patrick Gremlica ist überzeugt, dass die BAV Unternehmen dabei unterstützen kann, um neue Mitarbeiter:innen zu finden und diese auch zu binden: „Speziell kleine und mittlere Unternehmen – also die überwiegende Mehrzahl der österreichischen Betriebe – leiden am meisten unter dem Fachkräftemangel und haben oft bereits Probleme, Aufträge anzunehmen. Hier rechnen sich interessante Vorsorgemodelle natürlich in doppelter Weise. Dieser Bereich hat nicht nur aktuell die größten Zuwachsraten sondern wird auch in Zukunft ein immer wichtigeres und verbreitetes Thema für uns sein.“
Christian Schuster ist ebenfalls der Meinung, dass, die Zunahme im BAV-Bereich gerade in diesem Segment enorm sei: „Mitarbeiterbindung und -Motivation lassen sich mit dem Angebot einer maßgeschneiderten BAV-Lösung deutlich steigern. Auch beim Recruiting tut man sich als Unternehmen leichter, wenn man neben einem attraktiven Gehalt zusätzliche Benefits anbietet. Hier geht es nicht nur um Firmenpensionen, sondern auch Zusatzkranken- und Unfallversicherungslösungen sind sehr gefragt.“
Lesen Sie im zweiten Teil der Interviewrunde zum Thema „Betriebliche Altersvorsorge“, wie die drei Experten das Thema BAV-Spezialisierung für unabhängige Vermittler sehen und welche Rolle die BAV in Österreich laut den Experten in zehn Jahren eingenommen haben wird.
Foto oben v.l.n.r.: Patrick Gremlica (Head of Broker Sales bei der Allianz Elementar Versicherungs-AG), Marga Derstroff (Head of Life bei der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft) und Christian Schuster (Leitung Betriebliche Altersvorsorge bei der Wiener Städtischen Versicherung)
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