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Behandlung verweigert – keine BU-Leistung?

Behandlung verweigert – keine BU-Leistung?

01. August 2019

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5 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der psychisch erkrankte Kläger verweigert die Behandlung und erhält daher kein Geld mehr von seiner BU-Versicherung. Grundsätzlich komme die Pflicht zur Schadensminderung aus der Unfallversicherung auch hier zum Tragen, so der OGH.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 01.08.2019

Der Kläger machte sich ab März 2007 mit einer Fahrradrikscha selbständig. Aus dieser Tätigkeit, die auch mit Werbemaßnahmen verbunden war, blieben ihm monatlich etwa 2.000 Euro. Im August 2007 schloss er eine Ablebensversicherung, verbunden mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, ab.

Im Herbst 2007 kam es beim Kläger zu einem depressiven Einbruch mit gedrückter, ängstlicher Grundstimmung, Antriebsverarmung und Rückzugstendenzen. Ab Jänner 2008 war er zu einer nennenswerten beruflichen Leistung nicht mehr imstande, er erhielt Leistungen aus der BU-Zusatzversicherung. Im Herbst 2015 stellte der Versicherer die Zahlungen ein. Allerdings leidet der Mann nach wie vor an einer depressiven Stimmung und Migräne, sodass er zu zumindest 50% außerstande ist, seine Tätigkeit als Fahrradrikscha-Fahrer und -Betreiber auszuüben.

Behandlung verweigert – sittenwidrig?

Der Kläger forderte nun knapp 54.000 Euro Schadenersatz sowie die Feststellung, dass der Versicherer weiterhin leistungspflichtig sei und er selbst von der Prämienzahlung bis auf weiteres befreit sei. Der Versicherer argumentierte, der Kläger sei nicht mehr berufsunfähig im Sinne der Bedingungen. Er hätte durch eine medizinische Behandlung, die er verweigert hatte, Heilung erzielen können. Der Versicherungsfall werde von ihm daher vorsätzlich – jedenfalls aber grob schuldhaft – herbeigeführt bzw. aufrechterhalten. Dieses Verhalten widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, sei sittenwidrig und bewirke daher Leistungsfreiheit.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht verpflichtete in einem Teilurteil den Versicherer zur Zahlung des Schadenersatzes. Bezüglich der Feststellung, dass der Versicherer bis auf weiteres leistungspflichtig sei, hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Parallelen zwischen Unfall und Berufsunfähigkeit

Der Oberste Gerichtshof (7Ob45/19x) führt aus, dass dieselben Argumente für eine Schadensminderungspflicht in der Unfallversicherung auch auf die BU-Versicherung zutreffen. Beide seien Summenversicherungen, die der Abdeckung eines pauschalen Einkommensausfalls wegen unfall- bzw. krankheitsbedingter Minderung der Erwerbskraft dienen. In beiden Sparten hänge der Umfang der Leistungspflicht typischerweise von der Entwicklung des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers und damit oftmals von dessen Gestaltung der medizinischen Behandlung ab. Wegen der gleichgelagerten Interessen sei in der BU daher von einer unechten Lücke auszugehen, die wegen ihrer Berührungspunkte zur Unfallversicherung durch analoge Anwendung des § 183 VersVG zu füllen sei.

§ 183 VersVG

Der Versicherungsnehmer hat für die Abwendung und Minderung der Folgen des Unfalles nach Möglichkeit zu sorgen und dabei die Weisungen des Versicherers zu befolgen, soweit ihm nicht etwas Unbilliges zugemutet wird. Auf eine Vereinbarung, die von dieser Vorschrift zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen.

 

In diesem Fall hatte der Versicherer die vertragliche Ergänzung und Vervollständigung von § 183 VersVG unterlassen, da er keine bestimmten, die Heilung fördernden oder die Berufsunfähigkeit mindernden ärztlichen Anordnungen in sein Bedingungswerk aufgenommen hat. Kann er sich dennoch auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit berufen?

Kläger muss sich Therapie nicht unterziehen

Dazu meinen die Höchstrichter: Verabsäumt der Versicherer diese Ergänzung, könne das Beharren des Versicherungsnehmers auf Leistung nur in einem besonderen Ausnahmefall gegen Treu und Glauben verstoßen und rechtsmissbräuchlich sein – nämlich dann, wenn er in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise, ihm objektiv und subjektiv zumutbare, aussichtsreiche, risikolose, schmerzfreie und einfache (medizinische) Maßnahmen unterlasse. Darunter fällt etwa die Verweigerung der Verwendung einfacher Hilfsmittel (wie z. B. Brille, Stock, Hörgerät) oder des Tragens von Schutzkleidung (Handschuhe).

Bei einer psychopharmakologischen Therapie mit einem Antidepressivum sei mit Nebenwirkungen und Missempfindungen zu rechnen, zumal ein passendes Mittel erst nach Erprobung verschiedener Präparate gefunden werden könne. Es verstoße daher nicht gegen Treu und Glauben, wenn sich der Kläger bei diesen Bedingungen einer solchen Therapie nicht unterzieht.

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