China ist in den letzten Jahrzehnten zur größten Wirtschaftsmacht der Welt gewachsen. Droht jetzt der Einbruch? Warum die chinesische Wirtschaft eines der aktuell größten Pulverfässer ist und was das für Österreich bedeutet, erklärt Mag. Markus Waghubinger in der aktuellen AssCompact-Ausgabe.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 03.05.2019
Von Markus Waghubinger, Redakteur AssCompact und Gründer der finothek GmbH*
Durch das starke Wachstum der letzten Jahrzehnte wurde China zur größten Volkswirtschaft der Welt – zumindest kaufkraftbereinigt. Knapp dahinter rangiert die USA, die auf Basis der absoluten Wirtschaftsleistung noch auf Platz eins liegt. Noch, denn China wächst im Vergleich rasant: Mit 6,6% Wachstum im letzten Jahr schwächt sich die Dynamik zwar ab, ist aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie in den USA. Die Abschwächung ist trotzdem ein Grund zur Beunruhigung für die chinesische Regierung, hat aber auch für europäische Anleger mittlerweile an Relevanz gewonnen.
Zum Wachstum verdammt
Jährlich drängen rund 15 Millionen neue Erwerbstätige auf den Arbeitsmarkt und verlangen nach adäquater Beschäftigung, denn rund die Hälfte davon sind hochqualifizierte Hochschulabsolventen. Während die Kräfte des freien Arbeitsmarkts in der westlichen Welt so etabliert sind, dass nur kleine Steuerungsmaßnahmen seitens der Politik und der Notenbanken ergriffen werden, liegt im sozialistischen China die gesamte Verantwortung in der Hand einer Partei, die ihre Exklusivität mit Härte, aber auch mit Erfolgen untermauern möchte. Das Land ist also zum hohen Wachstum verdammt, wenn die kommunistische Partei ihren nach Wohlstand strebenden Bürgern keinen Grund zur Revolution geben möchte.
Technologieführerschaft
Dafür ist nicht nur hohes Wirtschaftswachstum notwendig, sondern auch stetige Verbesserung der Jobs. Darum hat die Zentralregierung ausgegeben, bis 2025 absoluter Technologie-Weltmarktführer werden zu wollen, und setzt dabei besonders auf künstliche Intelligenz. Schon heute sind Systeme zur Gesichtserkennung mit künstlicher Intelligenz im öffentlichen Einsatz, am Ausbau wird stetig gearbeitet. Die Systemtreue wird dort mit einem Punktesystem beurteilt, bei dem für gewolltes Verhalten Plus- und bei ungewolltem Verhalten Minuspunkte vergeben werden. Testweise wird dieses Sozialkredit-Ranking bereits beim Verkauf von Flugtickets berücksichtigt.
Aber nicht nur das Megathema künstliche Intelligenz steht am Regierungsplan ganz oben, auch die Führerschaft bei nachhaltiger Technologie wurde zum Ziel erklärt. Im Gegensatz zu manchen US- oder EU-Politikern gibt es in der chinesischen Regierung keinen Zweifel mehr an den negativen Folgen des Klimawandels. Besonders die E-Mobilität wird mit hohen Förderungen forciert, die Produktion von Batterien hat sich in den letzten Jahren vervielfacht und auch hier strebt man die Weltmarktführerschaft hinsichtlich Produktionsoutput an.
Die neue Seidenstraße
Die Errichtung der neuen Seidenstraße, die China mit insgesamt 60 afrikanischen, europäischen und asiatischen Staaten verbinden soll, zeugt vom überregionalen Anspruch der Volksrepublik. Die ÖBB Rail Cargo verkehrt bereits seit rund einem Jahr mit Güterzügen zwischen Chengdu und Wien, die Verbindung wird laufend verbessert und ist deutlich kostengünstiger als der Seeweg. Schon heute sind die Chinesen einer der wichtigsten Handelspartner der EU, beim Import von Schweinefleisch, Milchpulver und Robotern sind sie schon Weltmeister, bei Autos und Flugzeugen sind sie am besten Weg dorthin.
Handelsstreit mit den USA
Auch die USA spüren die steigende Bedeutung der Volksrepublik und so kommt der Handelsstreit mit den USA und Donald Trumps „America First“-Politik nicht von ungefähr. Die verhängten Strafzölle auf chinesische Produkte bei US-Einfuhr haben das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern im letzten Quartal um ca. 15% reduziert. China reagiert mit Gegenzöllen und auch mit einer Stärkung der Binnenwirtschaft.
Das planwirtschaftliche System mit nur einer Partei an der Spitze kennt wohl den einen oder anderen Vorteil, wenn es um die Subventionierung von Megatrends wie künstlicher Intelligenz oder grüner Energie geht. Gleichzeitig werden aber wenige Innovationen aus eigener Kraft erzeugt, weswegen internationale Übernahmen und Patentverletzungen notwendig sind. Ein hochgezüchtetes, zentralistisch geplantes Wirtschaftssystem führt aber auch zu einer enormen Fehlerverteilung von Ressourcen, die unter normalen marktwirtschaftlichen Gegebenheiten anders verteilt worden wären, die Investitionen ermöglicht haben, die ohne Subvention ausgeblieben wären. Fehlallokationen, die in einer planwirtschaftlichen Volkswirtschaft systemimmanent sind, in China aber zur Spitze getrieben wurden.
Auch Österreich betroffen
Aufgrund dieser Umstände ist die chinesische Wirtschaft eines der größten Pulverfässer der jüngeren Vergangenheit. Die potenziellen Auswirkungen eines Einbruchs der Wirtschaftsleistung auf die Weltwirtschaft werden noch immer unterschätzt. Ein Wirtschaftseinbruch in China wäre mittlerweile wahrscheinlich auch für die österreichische Wirtschaft deutlich spürbar. Welche Auswirkungen es genau hätte, wenn der zweitwichtigste Handelspartner der EU stagniert, ist heute aufgrund der vernetzten, globalen Wirtschaft nicht vorhersehbar, man kann aber von einer globalen Ansteckung ausgehen. Denn wer hätte vor über zehn Jahren gedacht, dass eine Krise am US-Häusermarkt eine globale Finanz- und Wirtschaftspolitik nach sich zieht, deren Langzeitfolgen wir noch heute mit Niedrigzins- und Schuldenproblematik spüren?
Von Mag. Markus Waghubinger, Redakteur AssCompact und Gründer der finothek GmbH
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren